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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Markus, welche ihr Herz nicht mehr zu trennen vermochte. Herr Roderich tat desgleichen. Was die »beiden Kinder« anbelangt, so ist von ihnen zu vermelden, daß sie sich »mit den Blicken verzehrten«, wie der Volksmund sagt. Und ich war tief ergriffen von dem unschuldigen Glück dieser unvergleichlichen Familie.
    An diesem Nachmittag wurde kein Spaziergang unternommen. Der Doktor mußte zwar seinen gewohnten Beschäftigungen nachgehen, aber Frau Roderich und ihre Tochter hatten nichts vor, das sie hinausgelockt hätte. In ihrer Gesellschaft durchwanderte ich das ganze Haus und bewunderte die Schätze, die es enthielt, die Gemälde und herrlichen Ziergeräte, im Speisesaal die kostbaren Schränke, die das Silber enthielten, in der Galerie die wertvollen, alten Truhen.
    »Und der Turm? rief Myra. Glaubt Herr Vidal vielleicht, sein erster Besuch hier sei vollgültig, ehe er den Turm bestiegen?
    – Das will ich gewiß tun, Fräulein Myra, antwortete ich. Ich erinnere mich nicht eines einzigen Briefes meines Bruders, in dem er mir nicht in den anerkennendsten Ausdrücken eine Lobeshymne auf den Turm gesungen hätte und – um der Wahrheit die Ehre zu geben – ich bin eigentlich nur aus dem Grunde nach Ragz gekommen, um den Turm zu besteigen!
    – Dieses Wagnis müssen Sie aber ohne mich unternehmen, sagte Frau Roderich; es ist mir ein wenig zu hoch.
    – O Mutter, es sind ja nur einhundertundsechzig Stufen!…
    – Was in Deinem Alter nicht einmal vier Stufen im Jahre bedeutet, scherzte Hauptmann Haralan.
    – Aber bleibe unten, liebe Mutter; wir treffen uns im Garten wieder.
    – Auf! In den Himmel!« rief Myra fröhlich.
    Sie flog die Stufen hinan und wir hatten Mühe, ihren leichten Schritten zu folgen. In zwei Minuten war die Höhe erreicht und von der Terrasse bot sich meinen entzückten Blicken das herrlichste Panorama.
    Gegen Westen breitete sich die Stadt mit ihren Vororten aus; sie wird von einem Hügel, Wolkang genannt, überragt, der von einem alten Schlosse gekrönt ist; sein befestigter Wachtturm ist halb verborgen durch die lang herabwallende ungarische Flagge. Im Süden windet sich die einhundertfünfundsiebzig Klafter breite Donau durch das Land, deren Wellen unaufhörlich von zahllosen Fahrzeugen durchfurcht werden; im Hintergrunde erheben sich die fernen Berge des Serbenlandes. Den Norden nimmt die Pußta ein mit ihren dichtgedrängten Wäldern, die den Eindruck von Baumgruppen in einem Parke machen, ihren Wiesen, Feldern und Weideflächen; eingeleitet wird sie durch eine ganze Ortschaft von Bauernhäusern, die leicht an ihren spitzen Taubenschlägen zu erkennen sind.
    Ich war ganz entzückt von dem prachtvollen Rundblick, der so abwechslungsreiche Szenerien bietet; es war ein herrlicher Tag und das Auge konnte bei dem hellen Sonnenschein bis zu den äußersten Grenzen des Horizontes dringen.
    Fräulein Myra glaubte, mir einige Erklärungen geben zu müssen.
    »Hier sehen Sie, sagte sie, das aristokratische Viertel mit seinen Palästen, Privathäusern, Plätzen und Monumenten…. Auf der anderen Seite, Herr Vidal, erblicken Sie das geschäftliche Viertel; Sie sehen die Märkte und in den Straßen drängen sich geschäftige Menschen… Und erst die Donau – denn wir kommen immer wieder auf unsere Donau zu sprechen – sehen Sie nur. welch ein Leben auf ihr!… Und dort die grüne Svendor-Insel mit ihren Baumgruppen und blühenden Wiesen. – Mein Bruder darf nicht vergessen, Sie hinzuführen.
    – Sei ruhig, antwortete Hauptmann Haralan, Herr Vidal muß mir in jeden Winkel von Ragz folgen; nichts wird ihm geschenkt.
    – Und unsere Kirchen, nahm Fräulein Myra wieder das Wort, sehen Sie unsere Kirchen mit ihren Türmen und den vielen Glockenspielen? Die werden Sie Sonntags erklingen hören. Und unser Rathaus mit der Festhalle, dem hohen Dach, den großen Fenstern und dem Uhrturm, dessen laute Stimme die Stunden verkündet!
    – Schon morgen, sagte ich, will ich ihm meinen Besuch abstatten!
    – Und Sie, mein Herr, fragte Fräulein Myra, indem sie sich an ihren Bräutigam wandte, was bewundern Sie, während ich Ihrem Bruder das Rathaus zeige?
    – Die Kathedrale, Myra… das imposante Gebäude, die Türme der Fassade, den hohen Vierungsturm, der sich dem Himmel nähert, wie um unsere Gebete hinauszutragen und vor allem diese herrliche, monumentale Treppe!
    – Warum, fragte Myra, verschwenden Sie so viel Enthusiasmus auf diese Treppe?
    – Weil man über sie auf einen bestimmten Platz im Chor, gerade

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