Will Trent 02 - Entsetzen
wirkte ebenso bestürzt. »Sie haben es Ihnen wirklich nicht erzählt?«
Faith schüttelte den Kopf.
»Ich hätte wegen ihr beinahe meine Arbeit verloren. Ich habe Studienkredite zurückzuzahlen, zu Hause zwei Kinder, und mein Mann versucht gerade, sein eigenes Geschäft aufzumachen. Ich bin achtundzwanzig Jahre alt, und das Einzige, wozu ich qualifiziert bin, ist Unterrichten.«
»Moment mal«, warf Faith dazwischen, »erzählen Sie mir, was passiert ist.«
»Kayla kam zwar in die Nachhilfestunden, aber eigentlich hätte ich einen Stift in die Hand nehmen und ihre Arbeiten für sie schreiben müssen, denn sie weigerte sich beharrlich, das zu tun, was nötig war, um die Klasse zu bestehen.« Marys Hals zeigte eine leichte Röte. »Wir hatten Streit. Mein Zorn ging mit mir durch.« Sie hielt inne, und Faith erwartete, die Frau würde gestehen, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen war, aber was sie sagte, war viel schockierender. »Am nächsten Tag rief Olivia mich in ihr Büro. Kayla war mit ihren Eltern da. Sie beschuldigte mich der sexuellen Belästigung.«
Faith stand die Überraschung offensichtlich ins Gesicht geschrieben.
»Oh, lassen Sie sich von der Gouvernante, die jetzt vor Ihnen steht, nicht täuschen«, sagte Mary. »Früher habe ich mich viel besser angezogen - fast wie ein menschliches Wesen. Zu sexy, nach Meinung unserer erlauchten Rektorin. Ich schätze, das ist ihre Art, zu sagen, ich hätte es darauf angelegt.«
»Jetzt mal langsam«, sagte Faith. »Ich verstehe nicht.«
»Kayla Alexander behauptete, ich hätte gesagt, ich würde sie durchkommen lassen, wenn sie Sex mit mir hätte.« Sie lächelte, aber was sie sagte, war absolut nicht lustig. »Ich schätze, ich hätte geschmeichelt sein sollen. Ich war im sechsten Monat mit Zwillingen schwanger. Ich passte kaum noch in irgendwas von meinen Sachen und konnte mir nichts Neues kaufen, weil das Unterrichten selbst ja angeblich der schönste Lohn ist. Während dieses Treffens fing ich an zu laktieren. Die Eltern schrien mich an. Olivia saß einfach da und ließ das alles an sich vorbeiziehen, als wär's ihr eigener, persönlicher Film.« Tränen der Wut liefen ihr über die Wangen. »Schon als kleines Mädchen wollte ich Lehrerin werden. Ich wollte den Kindern helfen. Niemand tut das wegen des Geldes und auf keinen Fall wegen des Respekts. Ich versuchte, mit ihr zurechtzukommen. Ich dachte, ich würde mit ihr zurechtkommen. Und sie tat nichts anderes, als sich umzudrehen und mir in den Rücken zu fallen.«
»Ist es das, was Danielle Park eigentlich meinte, als sie sagte, sie hätte die Schule in zwei Lager gespalten?«
»Danni war eine der wenigen aus der Lehrerschaft, die mir glaubte.«
»Warum glaubten die anderen Ihnen nicht?«
»Kayla kann die Leute extrem gut manipulieren. Vor allem Männer.«
Faith dachte an Evan Bernard, wie abfällig er über Mary Clark gesprochen hatte. »Was ist passiert?«
»Es gab eine Ermittlung. Gott sei Dank gibt es überall diese blöden Kameras. Kayla hatte keine Beweise, weil es einfach nicht passiert ist, und außerdem ist sie nicht gerade die Hellste. Erst sagte sie, ich hätte mich ihr in meinem Zimmer genähert, dann sagte sie, es wäre auf dem Parkplatz gewesen, dann sollte es hinter der Schule gewesen sein. Ihre Geschichte änderte sich jeden Tag. Letztendlich stand dann ihr Wort gegen meines.« Sie lächelte verbissen. »Ein paar Tage später lief sie mir im Foyer über den Weg. Wissen Sie, was sie sagte? >Man kann 'nem Mädchen 'nen Versuch doch nicht verübeln -<«
»Warum durfte sie an der Schule bleiben?«
Mary gab eine perfekte Imitation von Olivia McFaden. »Hier in Westfield sind wir stolz darauf, auf die speziellen Bedürfnisse von Kindern einzugehen, die die Gesellschaft als eher schwierig bezeichnet - bei vierzehntausend Dollar pro Jahr plus Gebühren für sportliche und außerschulische Aktivitäten und Uniformen.«
Bis auf das Ende waren das genau die Worte, die die Rektorin vor weniger als einer Stunde benutzt hatte. »Die Eltern hatten kein Problem damit?«
»Kayla war bereits von jeder anderen Schule in der Stadt geworfen worden. Dann hieß es, entweder Westfield oder eine der städtischen Schulen. Glauben Sie mir, ich habe die Eltern kennengelernt. Die Alexanders hatten viel mehr Angst davor, dass ihre kostbare Tochter sich mit der großen Masse der Ungewaschenen einlassen muss, als davor, sie in eine Schule zu schicken zu einer Frau, die sie angeblich
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