Willi von Bellden (German Edition)
konnte. Essen in Form von Ravioli sowie Suppe in Dosen und Wasser in zahlreichen Plastikflaschen. Es gab noch genügend davon; er würde noch lange überleben können. Das Problem waren die Exkremente. Es war nicht genügend Platz vorhanden, und es gab so gut wie keine Belüftung. Manchmal hielt er den Gestank und die Gase, die sich bildeten, kaum mehr aus.
Aus diesem Grund aß er kaum, trank kaum. Mit der Zeit wurde der Hunger zu einem Gefühl, das ihm fremd war.
Das Einzige, was ihn daran hinderte, seinem erbärmlichen Leben hier drin ein Ende zu setzen, waren die wärmenden Gedanken an seine kleine Tochter und an seine Frau. Lebhaft hatte er sich Tausende Male vorgestellt, wie verzweifelt sie nach ihm suchen würden. Doch wenn er selbst keine Erinnerung daran hatte, wer ihn in dieses Loch gebracht hatte, wie sollten es Selma oder die Polizei herausfinden? Es war so gut wie aussichtslos, dass ihn jemand hier finden würde. Als er aufgebrochen war, hatte er noch nicht einmal selbst genau gewusst, wo ihn seine Exkursionen hinführen würden. Das einzige grobe Richtziel war Frankreich gewesen, möglicherweise hatte er noch Vix erwähnt, eventuell vielleicht Südfrankreich, aber dass er die Dolmen ins Gespräch gebracht hatte, daran konnte er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Oder doch?
Stundenlang dachte er darüber nach, wieso das geschehen konnte. Wer hatte Interesse daran, ihn zu betäuben, hierher zu verschleppen und seinem Schicksal zu überlassen? Je mehr er darüber nachdachte, umso mehr kam Toni zu dem Schluss, dass es mit diesem Abend zusammenhing. Der Abend, der das Leben von fünf Personen, die ihm früher einmal sehr nahe gestanden hatten, schlagartig verändert hatte. Obwohl eigentlich niemand Schuld daran trug. Sie waren eben zu einem falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen. Das war alles.
Der unbekannte blutüberströmte Mann griff nach meinem Halsband und zerrte mich gegen meinen Willen von zu Hause fort. Niemand von meiner Familie merkte, dass gerade jemand dabei war, ihren Beschützer und besten Freund zu verschleppen, um ihn zur Schlachtbank zu führen. Das Fegefeuer war ein lachhaftes Event gegen das, was mich nun erwarten sollte. Der Henker, eine mächtige Bulldogge, der klassischerweise ein schwarzes Tuch über den Kopf gestülpt hatte, aus dem nur noch die Augen hervorblinzelten, schaute mich mit todeslüsternen Augen an. Seine Pfoten verkrampften sich um das Henkerbeil, sodass die Sehnen und Muskeln seiner kräftigen Vorderläufe voll zur Geltung kamen.
»Komm her, du Sauhund! Du elender Verräter deiner Hundekumpel und Wichtigtuer im Reich der Vierbeiner! Deine Strafe wird die höchste sein, die jemals von Waldi, dem König der Bellenden, verhängt worden ist! Bello ist ihm erschienen, um ihm die Botschaft zu verkünden, dich zu richten.«
Brutal wurde ich zum Schafott gestoßen, wo man meinen Kopf unsanft in die Mulde drückte, über der das Henkerbeil schwang.
»Ab mit dem Koooooopf!«, bellte lautstark der Pöbel unter mir.
Irgendwo hörte ich die Stimme von Anka raus und konnte Basko aus den Augenwinkeln entdecken, der mir schadenfroh zublinzelte.
»Das hast du nun davon, dass du noch nicht einmal die Theorien deines besten Freundes würdigen kannst! Du bist es nicht würdig, ein Hundeleben zu führen!«
Und in diesem Moment, als er das letzte Wort ausgesprochen hatte, fiel das Beil auf mich herab. Ein jäher Schmerz durchzuckte mein empfindliches Genick. Trotz abgetrenntem Kopf konnte ich noch deutlich spüren, wie der Pöbel an meinem toten Körper zog und zerrte. Eine Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkam, rief meinen Namen.
»Williiiiiiiii!!! Jetzt reicht es mir aber! Noch nie habe ich einen Hund kennengelernt, der solch ein unglaublicher Langschläfer ist!«
Meine Nervenbahnen funktionierten anscheinend immer noch, denn ich konnte die Augen öffnen. Vor mir erschien ein breites Gesicht, übersät mit Bartstoppeln und einer Zigarette im Mundwinkel. Das ist also Bello, dachte ich ein wenig beruhigt, denn er kam mir plötzlich sehr vertraut und bekannt vor. Bestimmt war er mir irgendwann in meinem erbärmlichen Hundeleben einmal begegnet.
»Wenn du jetzt nicht kommst, schmeiß ich dich raus!«, nuschelte dieser merkwürdige Typ mit den grauen Haaren.
Neben ihm saß ein riesiger Mischlingshund mit wuscheligem Fell, der mich aus braunen Augen spöttisch ansah. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hund, der mir aus dem Pöbel heraus zugeblinzelt hatte.
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