Willi von Bellden (German Edition)
Oma Hilli mit von der Partie war. Die Besitzer des Campingplatzes, Jean-Louis und Arlette, hätten uns ohne Oma vermutlich überhaupt nicht eingelassen, denn die alte Dame gehörte einfach zu unserem traditionellen Herbsturlaub dazu. Nun muss man allerdings noch einige Dinge klarstellen. Oma Hilli ist dreiundsiebzig Jahre alt, raucht und trinkt gern einen oder zwei über den Durst. So mancher Campingplatzbesucher hat schon ein Wetttrinken mit Oma hinter sich gebracht, das sie in all den Jahren erst einmal verloren hat – und das gegen Bernhard, einem langjährigen Freund von Tanner und Anny. Und das war an dem Tag, an dem es ihr hundsmiserabel ging, weil sie einen Tag vorher, beim Tortenwettessen im Seniorentreff teilgenommen hatte, aus dem sie leider nicht als Siegerin hervorgegangen war, dafür aber drei Kilo hinzugewonnen hatte. Mit ihr kam viel Leben ins Haus, aber auch einige extra Leckereien in unsere Fressnäpfe. Oma Hilli verhielt sich Sammy gegenüber skeptisch, was sie abermals einige Punkte in meiner Sympathieskala steigen ließ. (Vor einigen Monaten war ich gezwungen, ihr Punkte abzuziehen, da sie mit den Pantoffeln nach mir geworfen hat, als ich ihr ein Würstchen aus der Hand geklaut habe.)
Innerhalb der Familie brach, wie immer vor einem Urlaub, ein hektisches Treiben aus, dem ich mich zu entziehen versuchte, indem ich so oft wie möglich Anka einen Besuch abstattete oder mit Churchill, Oskar und den Kleinen die Zeit im Heuschober verbrachte. Dort war es immer hundegemütlich, vor allem wenn schlechtes Wetter angesagt war. Ich liebte das Prasseln der Regentropfen auf dem Heuschoberdach, während ich den Geruch von Heu einatmete und mich gemütlich darin einkuscheln konnte. Die Kätzchen, die mittlerweile alle Namen hatten, wobei ich mir allerdings die meisten nicht merken konnte, rannten jedem Halm hinterher, der sich nur annähernd zu bewegen schien. Sehr zur Freude von Oskar, der viele Stunden damit zubrachte, sie auf die spätere Mäusejagd vorzubereiten, indem er mit jedem Gegenstand raschelte, sich versteckte und mit ihnen Fangen spielte. Ihre kleinen Krallen, die sie sich nicht auszufahren scheuten, setzten uns allen zu, vor allem aber Oskar. Nach dem Spielen sah er aus wie ein zerrupftes Huhn, was ihn nicht sonderlich zu stören schien. Während unsere Kinder sich miteinander vergnügten, führten Churchill und ich immer ernstere und interessantere Gespräche, die ich bald nicht mehr missen wollte. Als Natascha endlich ihre Reise antrat und Basko somit auch an unseren Gesprächen teilnehmen konnte, wurde ich manchmal von einem überwältigenden Gefühl gepackt, welches mich an die Herrenabende vergangener Jahrhunderte erinnerte. Wenn es nicht so verdammt welpisch gewesen wäre, hätte ich meinen Freunden am liebsten den Vorschlag gemacht, einen Club zu gründen, einen exklusiven Rüden-Kater-Getier Club, in dem man Zigarren rauchen musste und tote Mäuse und Ratten als Trophäen am Gürtel hängen hatte. Selbstverständlich würden uns ausschließlich Hündinnen und Katzen umgarnen, welche mit den edelsten Diamanten behangen wären und uns mit mandelförmigen Augen zuklimpern würden.
Basko brachte mich auf brutalste Weise auf den Boden der Tatsachen zurück, als er mir einen Hühnerknochen vor die Nase hielt, den ich nicht essen durfte, weil ich ihn zuvor bei einer Wette gegen ihn verloren hatte. Und nur, weil sein Rülpser länger geworden war als meiner.
Schon nach ein paar Tagen konnte sich keiner mehr von uns die ehemaligen Feindseligkeiten erinnern, die wir über Jahre ausgetauscht hatten, ohne Sinn und Verstand zu üben, da waren wir uns alle drei einig. Jedoch brannte mir schon lange eine Frage auf der Seele, die ich Churchill zu gern gestellt hätte, doch bisher nicht gewagt hatte. Eines Abends, als wir friedlich miteinander im Heuschober lagen und den Kleinen beim Spielen zusahen, fasste ich endlich den nötigen Mut.
»Was ist eigentlich mit deinen Besitzern ...?«, fragte ich gespielt teilnahmslos. »Du hast doch mal welche gehabt?«
Churchill sah mich aus seinen müden grauen Augen an.
»Gehabt! Du hast es auf den Punkt gebracht. Wisst ihr, wenn man überflüssig geworden ist, werden oftmals Allergien als Ursache dafür missbraucht. So wie in meinem Fall. Seit Jahren schlage ich mich durch, mit dem, was ich jage. Wenn ich ehrlich bin, stehle ich auch mal hier und da etwas von meinen wohlgenährten und verweichlichten Artgenossen. Ansonsten führe ich ein einzelgängerisches
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