Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pippa Wright
Vom Netzwerk:
ich an diesem Abend die Eingangsstufen des Bürogebäudes hinabsteige und die Umgebung nach dem gelben Licht eines freien Taxis absuche, ruft jemand auf der anderen Straßenseite meinen Namen. Vor den verdunkelten Fenstern des Prêt à manger steht Dan, die Hände in den Taschen seines hellbraunen Trenchcoats. Unstet tritt er von einem Fuß auf den anderen und späht besorgt in beide Richtungen, als wäre er kein normalerweise am Schreibtisch arbeitender Anwalt, sondern ein Geheimagent.
    Was führt er im Schilde? Warum ruft er mich nicht wie ein normaler Mensch an? Wie auch immer, ich finde die Atmosphäre einer verborgenen Mission reizvoll, und so gehe ich zu ihm hinüber.
    »Guten Abend, Agent Dan, heute Nacht fliegt der Schwan tief über der Wolga.«
    »Was?« Auf halbem Weg zu meiner Wange zögert er, dann küsst er sie.
    »Nun, du hängst an einer Straßenecke rum und siehst aus wie eine Figur aus einem mittelmäßigen Spionagethriller. Sollten wir uns nicht verschlüsselt unterhalten?«, hänsele ich ihn, aber er lächelt nicht. Er schaut sogar ziemlich grimmig drein.
    »Hör mal, Lizzy, ich muss mit dir reden. Und ich dachte, wenn ich dich von der Arbeit abhole, könnte ich ausnahmsweise ungestört mit dir sprechen. Ohne Unterbrechungen.« Mit allen Fingern fährt er durch seine wirren Locken und mustert mich eindringlich.
    »Okay, Dan. Du meine Güte, das muss was Wichtiges sein!« Lachend erwidere ich seinen Blick. An diesen ernsthaften Dan Miller bin ich nicht gewöhnt.
    »Ja, das ist es.« Er ergreift meinen Ellbogen und führt mich zu dem schäbigen Pub an der Ecke.
    Obwohl es nur wenige Schritte vom Büro entfernt liegt, habe ich bisher nur ein einziges Mal meinen Fuß dort hineingesetzt. Kein Carter Morgan -Mitarbeiter, der auf seinen Ruf bedacht ist, würde die Schwelle des Dog and Daffodil überqueren. Es sei denn, ein Notfall würde einen medikamentösen Drink erfordern, zum Beispiel einen Brandy, in einem Zug heruntergekippt.
    In einer solchen Kneipe verbringt man seine Zeit nur, wenn es keine Alternative gibt. Die Speisekarten sind mit Plastik beschichtet, die Tische klebrig. Und das Personal begrüßt jeden neuen Gast wie eine lästige Störung seiner anspruchsvollen Tätigkeit – abwechselnd draußen zu rauchen und an der Quiz-Maschine in der Ecke zu spielen. Der Pub-Hund, ein Staffordshire-Bullterrier mit den vierschrötigen Proportionen eines Fußschemels, ist berüchtigt für seine aggressive Jagd nach knusprigen Leckerbissen. Brutal treibt er unbedarfte Gäste in die Ecken, um ihre Käse -Zwiebel- Walkers zwischen die Zähne zu kriegen.
    Nach meinem einzigen Besuch dort, einem Verzweiflungsdrink während Camillas Mutterschutzes mit Lucy in der Mittagspause, war ich ins Büro zurückgekehrt und
hatte festgestellt, dass jemand die Geldbörse aus meiner Handtasche gestohlen hatte.
    »ja?«, fragt das Mädchen hinter der Theke nun, ohne von ihrem Evening Standard aufzublicken.
    »Eine Flasche San Miguel, bitte«, sagt Dan. »Und du, Lizzy?«
    Ich bestelle das Gleiche, nicht so sehr aus Verlangen nach einem Bier, sondern weil die Gefahr von fremden Lippenstiftflecken an einem Weinglas größer ist. Nachdem Dan die Getränke bezahlt hat, folge ich ihm zu einem Fenstertisch. Auf dem Sims kämpft ein schmutziger blauer Ventilator vergeblich gegen den Geruch alter Zigaretten, der an den Brokatvorhängen haftet. Ich klemme meine Handtasche zwischen die Knie, falls sich jemand mit tückischen Absichten nähern sollte. Wie ich zugeben muss, habe ich mich schon mal entspannter gefühlt.
    »Allzu lange kann ich nicht hierbleiben, Dan, nur auf einen Drink.«
    »Nur auf einen Drink? Was das bei Lulu und dir bedeutet, weiß ich.« Endlich lächelt er. »Das bedeutet, dass Lulu um zwei Uhr nachts an unserer Tür kratzt, weil sie den Schlüssel verloren hat.«
    »Klar, aber Randy wartet auf mich.«
    Sofort erlischt das Lächeln, seine Miene verschließt sich. »Ah, Randy. Darüber wollte ich mit dir reden.«
    »Wegen Samstagabend?« Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl herum. Müssen wir das wirklich durchkauen? »Es tut ihm leid, mir auch, und es ist ja nichts Schlimmes passiert, oder?«
    »Ihm vielleicht nicht.«
    »Geht es um Emma?« Bei der Erinnerung an Randys
Kopf, dicht über dem goldenen Dekolletee, durchfährt mich eine irritierende Anwandlung von Eifersucht. Ebenso beim Gedanken an Dans eifriges Bestreben, diese Person zu verteidigen.
    »Hör mal, Emma und ich...« Unbehaglich unterbricht er sich.

Weitere Kostenlose Bücher