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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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besorgt drein. »Ich glaube, ich gehe mal kurz ins Bad, wenn du nichts dagegen hast.« Er eilte hinaus.
    Als sie allein war, begann Deborahs Haar mit schwachen, gedämpften Tönen zu sprechen. »Deborah? Deborah, nimm bitte dieses Handtuch ab, ja? Und diese Lockenwickler – ich ersticke! Deborah?«
    Später, sagte Deborah. Wenn er weg ist.
    »Sofort«, beharrte ihr Haar. »Ich habe soviel Festiger gehabt, wie ich nur aufnehmen kann. Ich will ausgespült werden. Und du willst doch nicht, daß Phil dich mit Lockenwicklern sieht, um Himmels willen!«
    Aus dem Bad erklangen Geräusche. Übergibt er sich? fragte sich Deborah. Nein, danach hatte es sich nicht angehört. Es hatte eher wie ein Ausruf geklungen, irgendwo zwischen einem Aah! der Überraschung und einem Au! bei einem Schlag in den Solarplexus.
    Phil kam aus dem Bad. »Das wirst du mir nicht glauben«, sagte er. »Ich glaube, ich habe … o Gott, ich höre es schon wieder!«
    »Deborah«, sagte ihr Haar, »steh da nicht gaffend herum. Bring ihn zum Sofa; setz dich neben ihn; mache es ihm bequem!«
    Sie ignorierte ihr Haar und fragte Phil: »Was hast du gehört?«
    »Eine Stimme. Eine Stimme in meinem … Magen. Oder vielleicht etwas tiefer. Eine tiefe Baß-Stimme.«
    Aus eigener Entscheidung, ohne von ihrem Haar dazu gedrängt zu werden, ging Deborah zu ihm. »Was hat die Stimme zu dir gesagt?« fragte sie. Sie legte die Hand auf die weichste Stelle seines Bauches. »Wenn du nicht willst, mußt du es mir nicht sagen.«
    »Sie hat gesagt: ›Bitte sie, dich zu heiraten, du Trottel.‹ Sie meinte dich. Dann sagte sie: ›Bitte sie, dich zu heiraten‹, nur daß sie dabei nicht ›Trottel‹ zu mir sagte, sondern mich beim Namen nannte.«
    »Ich glaube dir. Denn das gleiche ist mir auch passiert. Nur daß die Stimme, die ich höre, in meinem Haar ist. Ich nehme an, das kommt daher, weil da mein Vita-Gel ist. Die Stimme kommt vom Vita-Gel.«
    »Erstaunlich«, sagte Phil.
    »Jetzt wirst du mich für verrückt halten.«
    »Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
    Deborah lächelte.
    »Hat die Stimme, die du hörst, irgend etwas über mich gesagt?«
    »Oh, sie mag dich. Sie hat dich von Anfang an gemocht.«
    »Kannst du dir dann vorstellen … ich meine, du wirst es vielleicht für übereilt halten, und keiner von uns ist unbedingt richtig bei Sinnen, aber … würdest du mich heiraten?«
    Sie wartete, welchen Rat ihr Haar ihr gab, doch dies schien eine Entscheidung zu sein, die ihr Haar ihr selbst überlassen wollte; und in der Tat verstummte von dem Augenblick an, da sie »Ja!« sagte, ihr Haar. Und auch Phil hörte die Stimme in seinem Magen nicht mehr. Und was am seltsamsten war, keiner von ihnen sprach jemals wieder über die ungewöhnlichen Umstände, die zu seinem Heiratsantrag geführt hatten. Es war, als hätten sie einander das Versprechen gegeben, vorzugeben, sie wären ein ganz gewöhnliches Ehepaar, das in einer Wohnung am Stadtrand von Roseville lebte. Sie blieb dem Vita-Gel natürlich treu; und ihr Haar war auch weiterhin strahlend schön, lebendig, kräftig und – wie die Werbespots immer versprachen – glänzend. Wunderbar glänzend und lebenssprühend und schön.
     
    Originaltitel: ›The Girl with the Vita-Gel Hair‹
    Copyright © 1986 by Omni Publications International, Ltd.
    (erstmals erschienen in ›Omni‹, Dezember 1986)
    Copyright © 1990 der deutschen Übersetzung
    by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Uwe Anton

 
Neil Ferguson
Der Mann aus der Zukunft
     
    Von seinem Stuhl hinter dem Empfangspult in der Notaufnahme des Royal United Hospital in Bath blickte Neil Ferguson jedesmal, wenn die automatischen Glastüren aufglitten, von dem Taschenbuch auf, das er gerade las. Er war Pförtner; aufzublicken war sein Job. Das Wetter war warm. Man schrieb das Jahr 1976 – das Jahr der Großen Trockenheit, und wie jeder andere auch war er der Dürre überdrüssig. Als die Türen aufglitten und einen sehr lauten Mann in einem Rollstuhl einließen, den eine attraktive junge Dame schob, hieß Ferguson die Abwechslung also willkommen und blickte auf.
    »Ich will Sauerstoff! Haben Sie gehört?« brüllte der alte Mann die Schwester an. »Ich kriege immer Sauerstoff!« Seinem Akzent und der Art und Weise nach zu urteilen, wie er etwas verlangte, von dem er erwartete, dafür bezahlen zu müssen, mußte er von der anderen Seite des Planeten stammen.
    »Sie müssen noch etwas warten, Mr. Gold, bis der Arzt Sie

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