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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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kann?«
    Napper zuckte unwillig zurück. »Lass das.« Er sah sie an. »Das ist nicht sein Stil. So viel man weiß, hatte er es bisher nie auf andere Kriminelle abgesehen.«
    »Aber ich hab dir doch gesagt, er glaubt, die haben ihn letztes Jahr gelinkt.« Sie stieß ihm noch mal in die Seite. »Und ... kannst du ihn schnappen?«
    Mürrisch starrte Napper in die falschen Flammen. »Erzähl mir was über seine Freunde.«
    »Ach, auf diesem Weg willst du ihn dir greifen. Na, dann viel Glück. Er hat nämlich keine Freunde.«
    »Dein Mann hat doch einen Namen erwähnt.«
    »Jardine. Aber das ist kein Freund, das ist einer, mit dem er früher mal gearbeitet hat. Er lebt in Sydney.«
    »Und beide sollen gestern in Melbourne aufgetaucht sein? Könnte bedeuten, dass sie mittendrin sind in den Vorbereitungen. Hoffentlich ist dein Alter klug genug, sich da rauszuhalten.«
    »Er hält sich völlig im Hintergrund. Lass ihn in Ruhe, klar?«
    Napper grinste sie an. »Könnte nicht schaden, wenn ich auf dem Laufenden bleibe, was die beiden betrifft.«
    Eileen stand auf und warf die schmutzstarrende Decke auf den Boden. »Wir sind quitt.« Den Blick unverwandt auf den Heizofen gerichtet, sagte Napper: »Wäre schon blöd, wenn plötzlich neue Erkenntnisse über den guten Niall die Runde machen würden. Ich wäre gezwungen, seine Freilassung zurückzunehmen. Und dann die Blamage, wenn dein Alter erfährt, dass du Informationen an die Bullen weiter gegeben hast. Das könnte für richtig Ärger sorgen.«
    Eileen wartete ein paar Sekunden, doch Napper machte keine Anstalten, sich umzudrehen und sie anzusehen. Sie ging in sein Bad, einen Tummelplatz für gesprungene Fliesen, Fugenschimmel und angetrocknete Seifenränder, und spülte alle Spuren ihres Zusammenseins mit Napper den Abfluss hinunter. Zurück im Zimmer, nahm sie ihre Sachen, die als Haufen auf dem dreckigen Teppich lagen, und zog sich an. Die Sinnlichkeit ihrer Bewegungen war dahin, ungehalten zerrte und zupfte sie an sich herum. »Ich werd sehen, was sich machen lässt«, sagte sie bissig.
    »Das hört man gern, Mrs. R.«

    NEUNUNDZWANZIG

    Am Dienstagvormittag ließ sich Wyatt von einem Taxi ans Ende einer Seitenstraße nördlich der Doncaster Road fahren. Als das Taxi verschwunden war, ging er zurück zur Doncaster Road, bog links ab und machte sich auf den Weg zur Stadtverwaltung von Doncaster-Templestowe. Der Verkehr brauste an ihm vorbei, ohne dass er es zu bemerken schien. Autofahrer und Fahrgäste sahen allenfalls einen großen, schlaksigen Mann in Cordhosen und dunklem Anorak; die Leute, die mit ihm an der Ampel warten mussten, hatten vielleicht Gelegenheit, auch die geballten Fäuste wahrzunehmen und den verschlossenen Gesichtsausdruck, so verschlossen, dass man ihn kaum als traurig oder müde hätte bezeichnen können. Wyatt sah die anderen nicht an, spürte aber ihre Gegenwart. Sollte es jemand auf ihn abgesehen haben, würde er es sofort wissen.
    Die Ampel schaltete auf Grün. Er überquerte die Straße, eingehüllt in die Abgase vorbeifahrender Autos. Für gewöhnlich bekam er den Kopf frei, wenn er zu Fuß ging, es half ihm, hinter dem ganzen Drumherum die Strukturen einer Operation zu erkennen, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen und sich nur auf das zu konzentrieren, was den Job ausmachte. Diesmal jedoch gab es einiges, was den Job ausmachte. Es war ein ziemliches Durcheinander und das Kapital kam von Leuten, die gute Gründe hatten, ihn hinterher aus dem Weg zu räumen.
    Er lachte laut auf, kurz und harsch, und verwirrte damit eine Läuferin. Zusammen standen sie an einer roten Ampel, betrachtete seine Hände, die Frau suchte seinen Blick, er ignorierte sie. Als die Ampel umsprang, ging er los. Ein abbiegender Kleinlaster musste scharf bremsen und der Fahrer bearbeitete die Hupe. Wyatt blieb abrupt stehen, nur wenige Zentimeter von der vorderen Stoßstange des Wagens entfernt, und starrte den Fahrer an. Irgendetwas in diesem Blick musste den Mann besänftigt haben, denn er zuckte entschuldigend mit den Schultern und rang sich sogar zu einem schwachen Lächeln durch.
    Wyatt überquerte jetzt die Straße.
    Normalerweise machte es ihm Spaß, sich auf einen Job vorzubereiten. Zu lange Phasen der Untätigkeit führten dazu, dass er in eine Lethargie verfiel, aus der er mitunter nur schwer erwachte. Zwar hatten die letzten Tage jede Menge Aktivitäten mit sich gebracht, doch war ihm das eher wie Aktionismus vorgekommen — wenig sinnvoll und überzeugend.

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