Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
Abenteuer«, fuhr Biereichel fort. »Meine Frau hat mir in der Vergangenheit verziehen und sie wird es auch diesmal tun.«
›Ist‹? Wusste er etwa nicht, was passiert war?
»Wann haben Sie Jessica zuletzt getroffen?«, fragte ich.
»Das ist schon eine Weile her.« Er überlegte. »Vor zwei Wochen etwa.«
»Nicht am Freitag vor einer Woche?«
Er dachte länger nach. »Nein. Bestimmt nicht.«
»Jessica Wiedemann wurde ermordet.«
»Was?« Falls er log, spielte er die Überraschung gekonnt. »Ich hatte keine Ahnung ...«
»Lesen Sie keine Zeitung?«
»Nein, nur das Feuilleton. Ich habe mich gewundert, dass sie sich nicht meldet. Wir hatten die Vereinbarung, dass sie ...«
»Jessica wollte sich von ihrem Mann trennen. Und Sie waren dafür der Grund.«
»Nein. Das sehen Sie völlig falsch.« Biereichel fuchtelte mit seinen Händen. »Es war eine Liebelei, ein amouröses Abenteuer, das war ihr von vorneherein klar. Dass sie sich von ihrem Mann trennen wollte, hatte damit nichts zu tun. Wenn überhaupt, habe ich diesen Prozess beschleunigt. Jessica hatte ihren Mann satt, anscheinend ein engstirniger Beamtentyp. Allerdings weiß ich nicht viel über ihn, ich ziehe es vor, nicht über die Männer im Hintergrund zu reden.«
»Sie lügen«, bluffte ich. »Jessica hat einer Freundin erzählt, dass sie mit Ihnen eine feste Beziehung eingehen wollte.«
»Das ist nicht wahr«, heulte Biereichel. »Gerade das war ja das Schöne mit Jessica. Wir trafen uns ohne jede Bedingung und Erwartung. Ich habe ihr in dieser Hinsicht keine Hoffnungen gemacht. Sie wusste, dass ich mich nicht scheiden lassen würde.«
»Warum eigentlich nicht?«
»Ich hänge an meinen Kindern. Außerdem steckt das Geld meiner Frau in der Galerie. Sie ist Ärztin. Ich werde sie doch nicht verlassen wegen einer ...« Er stockte. »Ich bin kein Fantast, Herr Wilsberg. Der Kunstmarkt ist ein hartes Geschäft und die Konkurrenz in Münster groß. Bei den wenigen Kunden, die moderne Kunst kaufen, sitzt das Geld nicht mehr so locker wie vor ein oder zwei Jahren. Viele haben ein Vermögen an der Börse verloren.«
»Wo waren Sie am vorletzten Freitag, zwischen Mittag und Abend?«
»Hier. In der Galerie.«
»Kann Frau Simon das bestätigen?«
»Nein. Sie hat freitags immer frei.«
Ich stand auf.
»Sie werden meinen Namen doch nicht der Polizei geben?«, bettelte Biereichel.
»Das ist das Schöne an unverbindlichen Gesprächen«, sagte ich. »Man geht keinerlei Verpflichtungen ein.«
Diesmal öffnete Susanne Klotz. Nach ihrem zerknitterten Gesicht zu urteilen, hatte ich sie aus dem Schlaf gerissen. Sie trug ein T-Shirt und einen Slip. Mir fiel auf, wie mager sie war.
»Scheiße, Sie schon wieder!«, begrüßte sie mich.
Ohne meine Antwort abzuwarten, latschte sie zum Badezimmer. »Ich mach mich nur rasch frisch.«
Was immer das heißen mochte.
Nach einer Viertelstunde erschien sie mit glänzenden Augen in der Wohnküche, in der ich inzwischen einen Sessel gereinigt und mich niedergelassen hatte. Auf ihren hervorstehenden Hüftknochen hing eine schlabbrige, verwaschene Jeans.
»Sie kommen sicher wegen der Kohle?«
»Das auch. Haben Sie das Geld da?«
»Nein. Im Moment nicht.«
»Gut. Dann erhalten Sie eine Rechnung.« Ich zog ein Formular aus der Tasche. »Ich habe Ihren Auftrag erfüllt. Die Obduktion hat ergeben, dass Ihre Schwester tatsächlich ermordet wurde.«
»Ich weiß«, sagte sie ungerührt. »So ein Bulle hat mich angerufen. Ich soll ins Präsidium kommen und eine Aussage machen.«
»Und Ihr Schwager Rainer sitzt in U-Haft. Die Polizei hält ihn für den Mörder.«
»Toll. Das haben Sie klasse hingekriegt, Sherlock.«
Ich reichte ihr das Formular und einen Kugelschreiber. »Wenn Sie das bitte unterschreiben würden! Sie bestätigen damit, dass der Auftrag erledigt und unser Vertragsverhältnis beendet ist.«
Sie unterschrieb, ohne den Text zu lesen. »Warum so förmlich?«
Ich steckte das Blatt ein, bevor sie es zerreißen konnte. »Das gibt mir die Möglichkeit, im selben Fall für einen anderen Klienten tätig zu werden.«
»Was quatschen Sie da?«
»Ich glaube nicht, dass Rainer der Mörder ist.«
»Heißt das, Sie arbeiten jetzt für Rainer?« Sie lachte heiser. »Erst bringen Sie ihn in den Knast und dann wollen Sie ihn wieder rausholen. Das nennt man wohl Arbeitsbeschaffung.«
»Wenn's der Wahrheitsfindung dient.«
Ihr Gesicht verzog sich zu einer wütenden Grimasse. »Sie sind ein mieses, charakterloses
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