Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
seiner Homosexualität und das war in den Achtzigerjahren ein Sakrileg. Natürlich wussten alle, dass es schwule Politiker gab, einige wurden Minister oder sogar Ministerpräsidenten. Aber für die Öffentlichkeit spielten sie die braven Familienväter. Guber hielt sich nicht an die Regel. Auf einem Presseball erschien er mit seinem Lebensgefährten. Das war sein politisches Ende. Die Fraktion schob ihn in einen unwichtigen Ausschuss ab, eine Beförderung zum Staatssekretär oder Minister war aussichtslos. Guber saß noch ein paar Jahre im Landtag ab, dann zog er sich aus der Politik zurück.«
»Wann war das?«
»Ende der Achtzigerjahre. Guber war knapp über vierzig. Es muss hart für ihn gewesen sein. Er hat dann eine Zeit lang als Rechtsanwalt gearbeitet und später eine Beratungsfirma gegründet, die deutschen Firmen bei der Anbahnung von Kontakten in den arabischen Raum geholfen hat.«
Ich horchte auf. »Er hat Kontakte in den Nahen Osten?«
»Ja. Er hat sogar Arabisch gelernt. Wenn Guber etwas anfängt, macht er es richtig. Seine Geschäfte liefen offenbar ganz gut, allerdings im Verborgenen. Und Guber ist süchtig nach der großen Bühne, er braucht das Scheinwerferlicht. Gerüchten zufolge hat er sich während dieser Zeit bei rechten Zirkeln und Vereinen sehen lassen. Seine Herkunft, sein SS-Vater und seine arabischen Freunde brachten ihm Pluspunkte ein. Aber Guber war zu clever, um sich für eine rechtsradikale Partei einspannen zu lassen. Was er am meisten hasst, ist die Aussicht, zu verlieren. Er wusste, dass seine Zeit noch nicht gekommen war. Erst als Jörg Haider, Pim Fortuyn und der Hamburger Amtsrichter Schill Erfolge feierten, ist er ins politische Geschäft zurückgekehrt. Und wie es aussieht, hat er gute Chancen, in den Landtag zu ziehen, die Umfragen liegen bei acht bis neun Prozent. Wenn das klappt, wird er bei der nächsten Bundestagswahl antreten.«
»Woher kommen seine Anhänger?«
»Meinen Sie die Wähler oder das Fußvolk?«
»Das Fußvolk.«
»Zurzeit nimmt er alle, die er kriegen kann«, sagte Olpitz. »Er hat die DAD aus dem Boden gestampft, da darf er nicht wählerisch sein. Ein gewisser brauner Rand ist auch dabei. Obwohl Guber, wie ich ihn einschätze, die dumpfen Skins und Nazidevotionaliensammler verachtet.«
Ich dachte an Wolfgang Alvers, den rüstigen, braun gestrickten Rentner.
»Gubers Ziel ist eine moderne, rechtspopulistische Partei«, redete Olpitz weiter. »In der Parteiführung und im höheren Parteiapparat findet man keine Neonazis. Im Parteivorstand sitzen sogar zwei Ausländer, wenn auch nur als Feigenblätter. Außerdem sollte man Guber nicht unterschätzen. Er gibt den Anwalt der kleinen Leute aus Überzeugung, das sitzt tief in ihm drin. Und in manchen Positionen ist er tatsächlich liberal, als Schwuler hat er ein Gespür für gesellschaftliche Diskriminierung. Ich denke, dass er sich in einem zweiten Schritt, wenn er die Partei konsolidiert hat, von den braunen Mitläufern trennen will. Doch vorläufig braucht er sie noch als Helfer.«
Olpitz trank einen Schluck aus seinem Glas. »Allerdings gibt es keinen Zweifel, dass Gubers eigentliches Credo Guber heißt. Am wenigsten kann er gleichberechtigte Partner ertragen. Wer sich neben ihm in die Öffentlichkeit drängt oder ihm widerspricht, wird abgeschossen. Das hat er in der kurzen Parteigeschichte schon mehrfach praktiziert.«
»So ein Parteiaufbau und der Wahlkampf kosten eine Menge Geld«, sinnierte ich. »Wissen Sie, woher das stammt?«
Der Redakteur griente. »Aus seinem Privatvermögen, sagt Guber.«
»Sie glauben das nicht?«
»Ich weiß nicht, wie viel er in der Vergangenheit verdient hat. Es wird kolportiert, dass ein entfernter Verwandter ihm eine Fabrik vererbt hat, die er zu Geld gemacht hat. Ich könnte mir auch vorstellen, dass der eine oder andere deutsche Milliardär das, was Guber macht, gut findet.«
»Höhere Geldspenden an eine Partei müssen doch ausgewiesen werden.«
»Geldspenden an eine Partei, ja. Wenn man sie steuerlich absetzen will. Aber es ist nicht verboten, dem Privatmann Guber Geld zu schenken.«
»Solche Geldgeschenke müsste er dann versteuern.«
»Richtig. Aber da gilt das Steuergeheimnis.«
Je länger ich Tobias Olpitz zuhörte, desto sympathischer fand ich ihn. »Für jemanden, der sich erst seit zehn Tagen mit Guber beschäftigt, sind Sie erstaunlich gut informiert.«
»Ich hatte eine gute Vorgängerin.«
»Wer war das?«
»Kathrin Meyer, eine freie
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