Wind der Traumzeit (German Edition)
aussieht.«
Tom zog die Mundwinkel nach unten und schüttelte den Kopf. »Bestimmte Grenzen dürfen nicht überschritten werden, Caroline, egal, wie heftig ein Streit wird, und egal, wie düster die Zeiten einer Ehe sein mögen.«
Sie blickte trotzig auf. »Du konntest Sam doch noch nie besonders gut leiden, oder?«
Tom erwiderte ihren Blick ruhig. »Sam und ich standen uns nie besonders nahe, das ist richtig. Doch ich würde nicht sagen, dass ich ihn nie leiden konnte. Aber du und Josh, ihr steht mir näher. Ich will nicht, dass der Kleine böse Streitigkeiten seiner Eltern mitbekommt, bei denen sein Vater seiner Mutter wehtut. Egal, ob er sie schüttelt, schubst oder auch richtig schlägt. Hast du dir mal überlegt, wie der Junge das verkraften soll? Das wird ihn verändern, ihn prägen.«
Caroline schwieg. Am Himmel zogen einzelne Wolkenfelder dahin und verdeckten einen Teil des Sternengeflimmers. Minutenlang war nur das nächtliche Zirpen der Grillen zu vernehmen. Nachtfalter umflatterten das Windlicht und stürzten sich auf die Gartenlampen. Tom beobachtete eine Motte, die in wilder Entschlossenheit immer wieder gegen das Glas des Windlichts stieß. Schließlich schaute er auf.
»Liebst du ihn noch? So richtig, meine ich? Wie damals, als ihr geheiratet habt?«
Sie sah ihn unsicher an und sagte erst einmal nichts.
Er bohrte weiter. »Kannst du sofort Ja sagen, wenn ich dich frage, ob er der Mann ist, mit dem du noch weitere Kinder haben willst, mit dem du alt werden willst? Mit dem du den Rest deines Lebens verbringen willst?«
Caroline stützte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Ich weiß es einfach nicht, Tom. Mir ist momentan nicht klar, was richtig oder falsch ist.«
»Nun, du hast eine gute Ausbildung. Du könntest überall neu anfangen.« Plötzlich grinste er. »Cameron Downs würde sich bestimmt riesig über eine Zahnärztin freuen. Seit der alte Doc Mcintosh seine Praxis aufgegeben hat, müssen alle nach Milpa-rinka zum Zahnarzt, manche fahren sogar nach Broken Hill.« Er stupste sie an. »Ich wäre froh, wenn meine Lieblingsschwester zur Abwechslung mal nicht so weit von mir entfernt wäre.« Sie verdrehte die Augen. »Lieblingsschwester! Tom, ich bin deine einzige Schwester.«
Er lachte. »Eben.«
»Das geht mir alles viel zu schnell. Ich bin doch noch gar nicht so weit. Ich kann doch nicht so schnell aufgeben. Sam und ich, wir sind immerhin seit zehn Jahren verheiratet. Wenn ich ihn verlasse, verliert Josh den Vater. Zumindest, wenn wir so weit fortgingen.« Sie stützte den Kopf in die Hände. »Mein Gott, das ist doch einfach nicht zu fassen! Nie hätte ich gedacht, einmal vor solchen Problemen zu stehen.«
Tom legte eine Hand auf ihre Hände. »Lass es dir in Ruhe durch den Kopf gehen. Hör auf deine innere Stimme. Wenn die dir sagt, es ist aus, dann zieh auch die Konsequenzen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Wenn du dich an den Gedanken mit Cameron Downs gewöhnen könntest, helfe ich dir, wo ich kann. Auch für Josh bin ich immer da.«
Er grinste wieder. »Stell dir vor, er könnte mit unseren Mädchen aufwachsen.«
Als Caroline einige Zeit später im Gästezimmer in ihrem Bett lag, ging ihr das Gespräch mit Tom nicht aus dem Sinn. Sie seufzte, als sie daran dachte, wie müde sie morgen sein würde. Aber der Schlaf ließ sich nicht herbeizwingen, zu viel hing von ihren Überlegungen und Entscheidungen in der nächsten Zeit ab. Die Verantwortung für Josh lastete schwer auf ihr. Wie würde er es verkraften, wenn sie Sam verließe? Was würde er sagen, wenn er von seinen Freunden in Darwin Abschied nehmen müsste? Würde sie es fertig bringen, die Gemeinschaftspraxis, in der sie seit Jahren tätig war, einfach hinter sich zu lassen? Könnte es für sie ein Leben ohne Sam geben? Wie hatte er den Brief aufgenommen, den sie ihm hinterlassen hatte? War er wütend? Würde er sie suchen? Fragen über Fragen wirbelten in ihrem Kopf durcheinander. Leise stand sie auf und ging zum Bett ihres Sohnes, das am Fenster stand. Obgleich er in wachem Zustand ein echter Rabauke sein konnte, glich er im Schlaf noch eher einem kleinen verletzlichen Kind. Vorsichtig küsste sie ihn auf die Schläfe. Leise schmatzend drehte er sich auf die Seite und schob einen Handrücken unter seine Wange, Fröstelnd verschränkte Caroline die Arme vor der Brust und starrte hinaus in die Nacht. Was sollte sie nur tun?
Die nächsten beiden Tage vergingen, und in Caroline wuchs
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