Wind der Traumzeit (German Edition)
zwinkerte. »Aus Cairns. An deinem Geburtstag wollte ich doch bei dir sein. Komm mit, wir machen einen Ausflug.« Josh schien erst aufgeregt, dann aber besorgt. »Und Mum? Sicher wartet sie auf mich, und heute Nachmittag ist doch auch die Party.«
Sam legte einen Arm um ihn und zog ihn mit sich. »Deine Mutter weiß Bescheid. Sie war einverstanden, weil wir uns so lange nicht gesehen haben, und bis heute Nachmittag sind wir wieder zurück. Komm, im Auto liegt auch ein Geschenk für dich.« Josh freute sich. »Cool. Wo soll’s hingehen, Dad?«
Sie stiegen ein, und während Josh sein Geschenk auspackte, fuhr Sam los. Sein Sohn machte große Augen und jubelte. »Wow, Dad! Ein Handy! Ist das wirklich meines? Und ich darf es auch schon benutzen?«
Sam lachte zufrieden. »Na klar. Dafür ist es ja da. Jetzt können wir beide uns immer anrufen.«
»Super.« Josh drehte und wendete das silberne Mobiltelefon voller Bewunderung. »Robert und Lewis werden Augen machen.« »Sind das deine Freunde?«
»Hm. Ja. Wir machen oft was zusammen.«
»Gefällt es dir hier?«
Josh wurde ernst. »Ja, sehr. Aber du fehlst mir, Dad.«
Sam nickte. »Du fehlst mir auch, Josh. Mehr als du dir vorstellen kannst.«
Verwundert sah Caroline zur Uhr. Der Tisch war gedeckt, und Joshs Lieblingsessen stand fertig im Ofen. Wo blieb er nur? Er war doch sonst so pünktlich. Dann lächelte sie. Wahrscheinlich hatte er in Geburtstagslaune die Zeit vertrödelt und berichtete noch von seinen Geschenken. Unwillkürlich ging ihr Blick zuder neuen Inlineskater-Ausstattung auf dem Geburtstagstisch. Sie hatte ihn nur mit Mühe davon abhalten können, die neuen Inliner vor der Schule auszuprobieren.
Eine gute halbe Stunde später war ihre gelassene Nachsicht verflogen. Das Gratin wurde immer dunkler im Ofen, und sie sah voller Sorge wieder zur Uhr. Dann ging sie zum Telefon und tippte die Nummer ein, die ihr inzwischen so vertraut geworden war.
»Hallo, Nora. Ich bin’s, Caroline. Sag mal, wisst ihr, wo Josh steckt? Er müsste schon längst zu Hause sein.«
»Warte mal, ich frage Marie, ob sie ihn gesehen hat.« Gleich darauf vernahm sie wieder Noras Stimme. Sie klang beunruhigt. »Caroline? Marie sagt, sie hätte gesehen, wie Josh von einem Mann vor der Schule abgeholt worden ist. Sie haben sich umarmt, und Josh ist mit ihm weggefahren. Kann das sein Vater gewesen sein?«
Caroline war bleich geworden. Nachdem sie wochenlang nichts von Sam gehört hatte, war sie überzeugt gewesen, dass er die Situation endlich akzeptiert hatte. Und nun das.
»Gibt mir bitte mal Marie, ja?«
Als Marie ans Telefon kam, ließ sich Caroline eine Beschreibung geben. Sie schloss die Augen. Josh war tatsächlich bei Sam. Was hatte er vor? Sie versuchte ruhig zu bleiben. Er würde seinem Sohn nichts tun …
Marie hatte den Hörer wieder Nora gereicht.
»Können wir irgendetwas tun, Caroline?«
»Nein, danke, Nora. Ich weiß noch gar nicht, was ich tun kann. Schließlich hat er ein Recht darauf, seinen Sohn zu sehen. Ich denke, ich werde mich mit meinem Anwalt beraten, welche Möglichkeiten ich habe. Bis später.«
Caroline legte auf und ließ die Schultern hängen. Ihr Blick fiel erneut auf den geschmückten Geburtstagstisch, doch sie war zu geschockt, als dass sie in Panik verfallen wäre. Sie fühlte sich traurig und leer. In ihrem tiefsten Inneren war ihr klar gewesen, dass Sam nicht klein beigeben würde, doch sie hatte dieses Gefühl stets verdrängt und sich nur auf ihren Neuanfang in Cameron Downs konzentriert. Fast ein wenig ungläubig hatte sie registriert, dass alles wie am Schnürchen lief. Josh lebte sich gut ein, fand neue Freunde und hatte Spaß in der Schule, ihre kleine noch leicht veraltet eingerichtete Zahnarztpraxis ging hervorragend, sodass sie schon Pläne für eine neue Ausstattung geschmiedet hatte. Sie fühlte sich frei und unabhängig. Darüber hinaus gab ihr die Nähe zu Tom und seiner Familie Sicherheit.
Und jetzt das – Sam verschwand mit Josh an seinem Geburtstag.
Nora verbrachte die nächsten Stunden eher geistesabwesend. Der Gedanke an Caroline und Josh ließ ihr keine Ruhe. Zwei Stunden vor der Geburtstagsparty rief sie ihre Schwägerin an und erfuhr, dass der Junge noch immer nicht zu Hause war. Caroline schien wie erstarrt, sie war unfähig, irgendetwas Vernünftiges in die Wege zu leiten. Nora beschloss, mit den Mädchen früher als beabsichtigt zu ihr zu fahren. Ehe sie aufbrachen, informierte sie Tom in der Klinik. Er war
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