Wind des Südens
rief er, nachdem er die Kurve hinter sich gebracht hatte.
Das Verhalten des Mannes war ein klarer Hinweis darauf, dass er etwas zu verbergen hatte: Anstatt stehen zu bleiben und den Fremden zu fragen, was er von ihm wollte, warf er nur einen kurzen Blick über die Schulter und preschte dann umso schneller den Pfad hinunter.
Chang, der mit dieser überstürzten Flucht nicht gerechnet hatte, ärgerte sich über seinen Leichtsinn. Aber da er Tussup unbedingt erwischen musste, solange sie allein waren, heftete er sich an seine Fersen.
Als Tussup klar wurde, dass Chang im Begriff war, ihn einzuholen, schnitt er das Packpferd los und preschte weiter. Chang musste ausweichen, um nicht mit dem Grauschimmel zusammenzustoßen, als dieser zurückblieb. Allerdings hatte er den Zeitverlust bald wieder wettgemacht und war fest entschlossen, die Sache jetzt zu beenden. Eigentlich hatte er sein Messer benutzen wollen, da das weniger Lärm machte, doch dazu war es nun zu spät. Tussup durfte nicht entkommen. Anschließend würde Chang dann nur noch die Leiche beseitigen und sich selbst in Sicherheit bringen müssen.
Also nahm Chang die Flinte aus dem Halfter und ließ sein Pferd langsamer laufen, damit er laden konnte. Vor Anspannung lief ihm der Schweiß über die Stirn, als er seinem Pferd erneut die Sporen gab. Er war nicht sicher, ob er es schaffen würde, und befürchtete, Tussup könnte sich umdrehen und seinerseits auf ihn schießen.
Mit zitternder Hand hob Chang die Waffe und drückte ab. Doch Tussup duckte sich tief in den Sattel und galoppierte weiter. Chang schoss noch einmal und stoppte ruckartig sein Pferd, als Tussup aus dem Sattel glitt. Anstatt zu Boden zu stürzen, blieb der Mann jedoch mit dem Fuß im Steigbügel hängen und wurde eine Weile mitgeschleift, bis sein verängstigtes Pferd endlich anhielt und zitternd am Straßenrand stehen blieb.
Vorsichtig schlich Chang näher. Tussup war tot. Sein bärtiges Gesicht war vom Schrammen über den steinigen Boden aufgerissen und blutig. Zum Glück kam kurz darauf Changs Diener, das Packpferd am Zügel, angeritten.
»Rasch, schneid ihn los«, befahl Chang. »Bring ihn in den Wald und vergrab ihn. Dann kehrst du zurück und beseitigst die Blutspuren.«
Während sein Diener sich an die Arbeit machte, stieg Chang vom Pferd, nahm dem Packtier Sattel und Zaumzeug ab und warf beides in den Busch. Nachdem sein Diener die Leiche entfernt hatte, tat er dasselbe mit Zaumzeug und Sattel des anderen Pferdes und gab den beiden Tieren eine kräftigen Klaps. Die verängstigten Pferde galoppierten davon und verschwanden hinter der nächsten Wegbiegung im Busch.
Ein Jammer, dachte Chang. Die Tiere waren sicher einiges wert, hätten aber nur den Verdacht auf ihn gelenkt, deshalb war es besser, sie laufen zu lassen. Er fragte sich, ob Tussup wohl Geld bei sich gehabt hatte, und eilte durch das hohe Gras, um seinen Diener zu fragen.
»Ja, Herr«, erwiderte Wu Tin. »Das hier.« Chang betrachtete zweifelnd die wenigen Münzen.
»Ist das alles?«, verwunderte er sich.
»Ja, Herr. Ich habe ihn sorgfältig durchsucht.«
Chang wandte sich ab. »Also gut. Mach weiter.«
Bis jetzt hatte er gedacht, dass Tussup auf den Goldfeldern ein Vermögen verdient hatte. Wo also war sein Geld?
Auf dem Rückweg zu den Pferden schlug er sich plötzlich gegen die Stirn. Natürlich! Auf der Bank! In Maytown gab es Banken. Bestimmt hatte Tussup sein Geld zur Bank gebracht, anstatt zu riskieren, dass er es auf dem Ritt durch die Wildnis womöglich verlor. Und nun war es, unerreichbar und unwiederbringlich, in den Taschen der Bankiers gelandet!
»Ich könnte aus der Haut fahren!«, erboste sich Chang, während er auf seinen Diener wartete.
Anschließend ritten die beiden Chinesen zu den nächsten Goldfeldern, verkauften ihre erschöpften Pferde und erstanden zwei neue, bevor sie vorübergehend Unterkunft in einer chinesischen Herberge bezogen. Wu Tin machte sich auf die Suche nach einem ordentlichen Restaurant, während Chang über das Problem grübelte, das ihn beschäftigte, seit er das Büro des jüngeren Herrn Li verlassen hatte: Er hatte nämlich noch einen weiteren Auftrag auszuführen.
»Soll ich das so verstehen, dass Sie diese
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