Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
sie zu sehen, und begrüßte sie lächelnd.
»Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie Lasse das Reiten beibringen wollen«, sagte Valerie dankbar.
»Ich mache das gerne«, beteuerte Olof. »Lasse ist ein aufgeweckter Junge, und wir werden beide viel Spaß haben.«
Valerie betrachtete prüfend das Gesicht des Mannes. Er schien sich ehrlich zu freuen, ihrem Sohn das Reiten beibringen zu dürfen, gleichzeitig spürte sie einen Hauch von Skepsis. War das alles wirklich mit der viel gepriesenen Hilfsbereitschaft der ländlichen Bevölkerung zu erklären? Oder war sie diesen Wesenszug aus Stockholm einfach nicht gewohnt? Und eigentlich gab es keinen Grund, Lasse dieses Vergnügen zu verbieten. Olof würde sicher gut auf ihn aufpassen.
»Dann kann ich mich nur bedanken«, sagte Valerie.
Ob Olof ahnte, was sie dachte? Er versicherte ihr, dass sie sich um ihren Jungen keine Sorgen machen müsse und er sehr gut auf Lasse aufpassen werde. Valerie stieg beruhigt auf ihr Rad und folgte dem Schotterweg in Richtung Wasser.
Olof schaute ihr lächelnd nach. Es sprach für sie, dass sie sich so große Sorgen um ihren Sohn machte. Er ahnte, was in ihr vorging und dass sich ihre unausgesprochenen Vorbehalte nicht nur auf die Pferde, sondern auch auf ihn selbst bezogen. Er nahm es ihr nicht übel. Die Zeit würde zeigen, dass sie ihm vertrauen konnte.
Olof atmete einmal tief durch. Als Valerie aus seinem Blickfeld verschwunden war, holte er sein Handy hervor und rief Ludvig an.
»Hallo, ich bin’s. Ich wollte nur mal fragen, wie Valerie sich so macht.«
Er sah förmlich vor sich, wie sein Freund am anderen Ende der Leitung lächelte, als er antwortete, dass er das nach einem Tag noch nicht sagen könne.
»Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl«, fügte er hinzu. »Du rufst mich jetzt aber nicht jeden Tag an, um dich nach ihr zu erkundigen?«
Olof lachte. »Nein, ganz bestimmt nicht. Aber ich bin nun einmal neugierig, das verstehst du doch.«
Ludvig verstand das natürlich, bat aber darum, das Gespräch zu beenden, da er zum Abendessen verabredet sei. Olof machte sich auf den Heimweg. In ihm tobten widerstreitende Gefühle. Da war sein schlechtes Gewissen Irma gegenüber, und die Angst, dass alles doch noch irgendwie herauskam, blieb sein ständiger Begleiter. Aber alles wurde überlagert von dem Glücksgefühl, Valerie und seinen Enkel in seiner Nähe zu wissen.
Auf dem Heimweg war Irma tief in Gedanken versunken. Die Begegnung mit Markus hatte sie ins Grübeln gebracht. Auch wenn Markus schnell versucht hatte, Olofs Besuch bei Fred Waging zu begründen, so spürte sie doch, dass es nicht stimmte. Olof hatte sie belogen.
Er hatte sich verändert in der letzten Zeit. Ihr war aufgefallen, dass er gedankenverlorenen vor sich hin gestarrt hatte. Mehr als einmal hatte sie ihn nachts durchs Haus wandern hören, auf ihre besorgten Fragen hatte er aber stets nur ausweichend geantwortet. Dann wieder wirkte er plötzlich glücklich, auf eine sehr expressive Art. Als er heute mit Blumen im Laden gestanden hatte, hatte sie sich sehr gefreut, die Begegnung mit Markus jedoch rückte die Situation in ein anderes Licht. Sie kannte Olof nun so viele Jahre – hatte sie wirklich einen Grund, misstrauisch zu sein?
Kurz spielte sie mit dem Gedanken, unter einem Vorwand bei Fred Waging anzurufen, um herauszufinden, ob Olof überhaupt dort gewesen war. Sie verwarf diese Idee allerdings ganz schnell wieder; sie fand es unwürdig, hinter ihrem Mann herzuspionieren. Aber achtsam wollte sie trotzdem sein. Es tat ihr weh, dass Olof sie belog, aus welchem Grund auch immer. Was würde sie machen, wenn sie Gewissheit erhielt? Wenn sie feststellen musste, dass er sie nicht nur belog, sondern dass sein Vertrauensbruch noch sehr fiel weiterging? Die Vorstellung, ihn zu verlieren, war beinahe unerträglich, aber Irma war sich nicht sicher, inwieweit sie so etwas verzeihen konnte.
Sie liebte ihren Mann. Nicht so wie am ersten Tag, sondern mit einer ganz anderen Intensität. Dieses leidenschaftliche Gefühl ihrer Jugend, das mehr eine Verliebtheit gewesen war, hatte sich zu einem tiefen, innigen Gefühl entwickelt.
Je mehr Irma darüber nachdachte, desto mehr beschlich sie das Gefühl, dass das alles irgendwie mit dieser Anwältin zusammenhing, die jetzt in ihrem Haus am See wohnte. Bisher kannte sie ja nur deren Sohn Lasse.
Es wird Zeit, dass ich Lasses Mutter einmal kennenlerne, dachte sie.
Als sie zuhause ankam, hatte Irma einen Entschluss gefasst. Sie
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