Winter der Zärtlichkeit
dazu zu sagen hatte. Im Geiste schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihr Auto anspringen würde, weil die Ärztin Liam sicher unverzüglich sehen wollte.
Inzwischen war Liam aufgesprungen und aus dem Raum gestürmt.
Nachdem Sierra abgespült hatte, folgte sie ihm so beiläufig wie nur möglich in den Raum neben der Eingangstür.
Er war bereits online.
„Genau, wie ich es mir gedacht habe!“, rief er erfreut. „Meine Mailbox explodiert beinahe.“
Der Fernseher lief noch immer, der Sprecher beschrieb mit trübsinniger Stimme die Folgen einer zweiten Eiszeit, die jede Sekunde anstand. Sierra drehte den Fernseher ab.
„He“, protestierte Liam. „Ich habe mir das gerade angehört.“
„Du bist erst sieben“, sagte sie. „Du solltest dir über das Schicksal unseres Planten keine Sorgen machen.“
„Irgendjemand muss das aber tun“, erwiderte Liam, ohne aufzusehen. „Deine Generation ist da ja nicht sonderlich erfolgreich.“ Wie hypnotisiert starrte er auf den Computerbildschirm. Das blaugraue Licht spiegelte sich in seinen Brillengläsern, seine Augen waren nicht zu sehen. „Sieh mal! Die gesamte Freak-Gruppe hat mir geschrieben!“
„Ich habe dich gebeten ... “
„Okay“, gab Liam sich geschlagen. „Die außerordentlich klugen Kinder der Begabtenförderung üben sich in Kommunikation.“
„Das ist schon besser.“ Sierra unterdrückte ein Lächeln.
„Für dich sind auch ein paar Mails gekommen“, erzählte er ihr, während er schon dabei war, auf die Nachrichten zu antworten. Seine kleinen Finger flitzten geschickt über die Tastatur. Die Ein-Finger-Methode hatte Liam komplett übersprungen, wie all die anderen Kinder in seiner Klasse auch. Mit einem Computer umzugehen war für ihn selbstverständlich, gerade, als ob er schon mit dem nötigen Wissen auf die Welt gekommen wäre. Da es sich dabei um ein vollkommen normales Phänomen handelte, war Sierra einigermaßen beruhigt.
„Die lese ich später“, antwortete sie. Da sie nicht viele Freunde hatte, erwartete sie ohnehin nur den üblichen Penisverlängerungskram. Wie war sie nur auf deren Liste geraten?
„Sie werden bei einem richtigen Raketenstart dabei sein!“, schrie Liam ohne eine Spur von Neid in der Stimme. „ Wow!“ „In der Tat, wow“, stimmte Sierra ihm zu. Sie sah sich in dem Raum um, der laut Meg ursprünglich ein Herrenzimmer gewesen war. Alte Bücher standen fein säuberlich in den Regalen. Es gab einen Kamin aus Naturstein, in dem das Feuerholz bereits aufgeschichtet war. Sierra entdeckte ein Streichholz auf dem Kaminsims und machte ein Feuer.
Ein Läuten ertönte vom Computer.
„Du hast gerade eine IM von Tante Meg bekommen“, verkündete Liam.
Wo hatte er eigentlich dieses Tante Meg her? Bisher hatte er sie noch kein einziges Mal getroffen, geschweige denn eine persönliche Beziehung zu ihr aufgebaut.
„IM?“, wunderte Sierra sich.
„Instant Message“, erklärte Liam. „Da solltest du wohl mal besser gleich nachschauen. Aber beeil dich, ich habe noch einen Haufen Mails zu beantworten.“
Also nahm Sierra sich den Stuhl, den Liam nur sehr ungern herausrückte, und las Megs Nachricht.
Travis hat mir erzählt, dass dein Auto kaputt ist. Nimm meinen Blazer. Die Schlüssel sind in der Zuckerdose neben der Teekanne.
Sofort meldete sich Sierras Stolz. Danke, antwortete sie viel langsamer, als Liam getippt hätte, aber wahrscheinlich werde ich dein Auto nicht brauchen. Mein Wagen ist nur ... Sie hielt inne. Ihr Auto war nur was? Alt? ... etwas müde, tippte sie, zufrieden mit der Wortwahl.
Die Batterien vom Blazer werden leer sein, bis ich wiederkomme, wenn das Auto nicht gefahren wird. Megs Antwort kam unverzüglich, sie war offensichtlich so schnell wie Liam.
Wird dir Travis alles berichten, was ich so treibe ?, schrieb Sierra. Dabei machte sie so viele Fehler, dass sie immer wieder von vorn beginnen musste, und das ärgerte sie.
Ja, antwortete Meg. Weil ich vorhabe, jedes kleinste Detail aus ihm herauszupressen.
Sierra seufzte. Das wird aber nicht sonderlich spannend werden, antwortete sie langsam, aber ohne einen Fehler zu machen. Sie war aus der Übung. Wenn sie darauf hoffte, einen besseren Job als in einer Kneipe zu finden, musste sie schleunigst ihre Computerkenntnisse aufbessern.
Abschließend schickte Meg ein Smiley und ein Gute Nacht, Schwesterchen. (Das wollte ich schon immer mal sagen.)
Sierra biss sich auf die Lippen. Gute Nacht, hämmerte sie in die Tasten und stand
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