Winter der Zärtlichkeit
eine Tigerin aus dem Bett springen, mit ausgefahrenen Krallen, und ihm die Augen auskratzen.
Sie atmete langsam, tief und regelmäßig, und ließ ihren Körper weich werden.
An der Kommode füllte Doss die Porzellanschüssel mit Wasser und wusch sich.
Zu Hannahs Überraschung, Erleichterung und Verärgerung blieb er jedoch vollständig angekleidet und streckte sich auf der Bettdecke aus.
„Ich weiß, dass du nicht schläfst“, brummte er.
Hannah biss hart auf ihre Unterlippe. Obwohl sie die Augen fest geschlossen hielt, rannen Tränen aus ihnen. Gabe hätte ihr so etwas niemals angetan, er wäre niemals in der Hochzeitsnacht weggegangen, um in schlechter Gesellschaft zu rauchen und zu trinken. Und er hätte sie niemals einer derartigen öffentlichen Demütigung ausgesetzt.
Ein Schluchzen schüttelte ihren Körper. „Ich hasse dich, Doss McKettrick.“
Sein Seufzen klang resigniert. Wenn er sich entschuldigt hätte, sie in die Arme genommen und fest an sich gedrückt hätte, dann hätte sie sich trotz allem sofort besser gefühlt. Doch das tat er nicht. Er blieb auf seiner Seite des Bettes in Reichweite und zugleich so weit von Hannah entfernt wie Indian Rock von der Ostküste.
„Wir sollten das Beste daraus machen“, erklärte er.
Sie rollte sich mit dem Rücken zu ihm auf die Seite. „Nein, das werden wir nicht“, zischte sie. „Denn sobald es Tobias wieder gut geht, werden er und ich in den Zug steigen und für immer verschwinden.“
„Falls dir das ein Trost ist, kannst du dir das gerne einbilden. Tatsache aber ist, dass du jetzt meine Frau bist. Und solange die Möglichkeit besteht, dass du mit meinem Kind schwanger bist, wirst du nirgendwohin gehen.“
„Ich hasse dich“, wiederholte Hannah.
„Das sagtest du bereits.“ Doss seufzte noch einmal gequält. „Ich werde gehen, wann immer ich will.“
„Und ich werde dich zurückholen. Und glaub mir, Hannah, ich kann dieses Spielchen mindestens so lange durchhalten wie du.“
„Dann willst du mich also als Gefangene halten“, sprach Hannah in die Dunkelheit, die wie ein riesiger Schatten wirkte. In diesem Moment kam es ihr vor, als ob die Sonne nie mehr aufgehen würde.
„Ich werde dich nicht im Keller einsperren, falls du das meinst. Ich werde dich nicht misshandeln oder deine ehelichen Pflichten einfordern, und ich werde höflich sein, solange du das ebenfalls bist. Aber bis ich nicht weiß, ob du schwanger bist oder nicht, wirst du bei mir bleiben.“
Hannah wickelte sich fester in ihre Bettdecke und wischte sich mit einem Zipfel die Tränen weg. „Ich hoffe, dass ich es nicht bin“, flüsterte sie. „Ich hoffe, dass ich nicht dein Kind trage.“
Doch sie wusste, dass das nicht stimmte. Insgeheim sehnte sie sich nach einem weiteren Kind, nach einem Mädchen diesmal. Es verlangte sie danach, ein Leben in sich wachsen zu spüren. Sie wollte nur nicht Doss McKettrick als Vater ihres Kindes, das war alles.
Leise weinte sie weiter. Weinte, bis ihr Kissen nass war. Sie hätte ihr ganzes Geld darauf verwettet, dass sie keine Sekunde schlafen würde, doch irgendwann döste sie weg.
Und dann war plötzlich Morgen.
Doss’ Seite des Bettes war leer, und fette, träge Schneeflocken wehten am Fenster vorbei. Im Zimmer war es kalt, im Nebenzimmer hörte sie Stimmen und Geschirrgeklapper. Der Duft von Speck stieg in ihre Nase, ihr Magen begann zu knurren - und dann wurde ihr schlecht.
„Nein“, flüsterte sie und setzte sich hastig kerzengerade auf.
Doch, antwortete ihr Körper. Dasselbe Gefühl hatte sie in den ersten zehn Tagen nach Tobias’ Zeugung gehabt.
Tobias erschien im Zimmer, Doss stand direkt hinter ihm.
„Möchtest du Frühstück, Ma?“, fragte der Junge. Er sah noch leicht fiebrig aus, aber auch kräftiger, und er trug neue Kleider - schwarze Wollhosen, ein blau-weiß-kariertes Flanellhemd und sogar Hosenträger.
Allein die Erwähnung von Essen, ganz zu schweigen von dem Geruch, ließ ihr die Galle unangenehm in den Hals steigen. Doss’ Blick ausweichend, schluckte sie und schüttelte dankend den Kopf.
Doss legte eine Hand auf Tobias’ Schulter, zog ihn sanft zurück ins andere Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Daraufhin kroch Hannah sofort aus dem Bett, holte den Nachttopf unter dem Bett hervor - dankbar, dass er sauber war - und übergab sich so lange, bis sie völlig erschöpft auf dem Bettvorleger zusammensank.
Sie hörte, wie die Tür wieder geöffnet wurde, hörte, wie Doss ihren Namen rief, doch
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