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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Miller
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das dort noch immer eingewickelt und geheimnisvoll lag.
    Da sie ja Doss’ Angebot, ihr etwas aus dem Gemischtwarenladen mitzubringen, eindeutig abgelehnt hatte, ging Han- nah nicht davon aus, dass es für sie war. Und doch war sie neugierig. Der Größe nach konnte es sich um ein Buch handeln. Bevor sie Gabe geheiratet hatte, hatte sie so viel gelesen, dass ihre Eltern schon befürchteten, sie würde sich die Augen ruinieren. Nach der Hochzeit mit Gabe hatte sie immer so viel zu tun gehabt, dass sie sich nicht mehr auf die Buchstaben konzentrieren konnte. Ihr gelang es gerade noch, regelmäßig Briefe zu schreiben.
    Sie aß so viel sie konnte und nippte an ihrem Tee, der heiß und süß war, während Doss das Tablett auf die Kommode stellte. Jeb und Tobias waren zum Mittagessen nach unten gegangen. Abgesehen von den Geräuschen der Pferdekutschen auf der Straße und dem leisen Zischen der Heizung war es ganz still im Zimmer.
    Doss räusperte sich und trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. „Hannah, wegen gestern Nacht ..."
    „Hör auf“, unterbrach Hannah ihn schnell und mit so viel Nachdruck, wie sie nur aufbringen konnte. Die Teetasse klapperte auf der Untertasse, Doss nahm sie ihr aus der Hand und stellte sie neben das Päckchen. Er sah traurig aus und ein bisschen ungeduldig.
    Während sie sich wieder zurücklegte, musste sie gegen einen erneuten Tränenausbruch ankämpfen. Sie hätte geschworen, dass sie alle Tränen bereits vergossen hatte, nachdem Doss vom Blue Garter zurückgekommen war und ihr erklärt hatte, dass er sie nicht nach Montana lassen würde.
    „Ich schätze, du weißt, was es bedeutet, dass dir so übel ist“, bemerkte Doss in einem Ton, der unmissverständlich klarmachte, dass er sagen würde, was er zu sagen hatte. „Das ist der einzige Grund, warum ich keinen Arzt gerufen habe.“
    Hannah schloss die Augen, dann nickte sie.
    „Ich weiß, es wäre dir lieber, dass Gabe hier säße“, fuhr er fort. „Dass er der Vater dieses Kindes wäre, dass er dich mit nach Hause auf die Ranch nähme und Tobias aufzöge. Aber es ist nun mal eine Tatsache, dass ich nun all diese Dinge tun werde. Also kannst du genauso gut deinen Frieden damit machen.“
    Weil sie nichts sagen konnte, sagte sie nichts. Sie versuchte, sich Gabes Gesicht vor Augen zu rufen, was ihr nicht gelang. Sie sah nur Doss, wie er nach dem Abend im Blue Garter ins Zimmer gekommen war, Mantel und Stiefel ausgezogen und sich neben sie aufs Bett gelegt hatte.
    Eine Weile sah Doss sie einfach nur an, dann nahm er das Päckchen vom Nachttisch und legte es in ihren Schoß. Mutlos sah sie ihm hinterher, wie er das Zimmer verließ und leise die Tür hinter sich schloss.
    Sie sollte das Päckchen nicht aufmachen, sondern es an die Wand schleudern oder in Doss’ Gesicht, wenn er zurückkam. Doch ein Teil von ihr wünschte sich ein Geschenk, etwas Überflüssiges und Unpraktisches, etwas, das nur ausgesucht worden war, um sie zum Lächeln zu bringen.
    Inzwischen wusste sie kaum mehr, wie es war, zu lächeln, ohne vorher darüber nachzudenken, ohne zu beschließen, dass es an der Zeit war, zu lächeln, weil es erwartet wurde.
    Mit zitternden Händen öffnete sie die Schnur, schlug das braune Papier zurück, das sie später sorgfältig falten und aufbewahren würde, und sah, dass Doss ihr tatsächlich ein Buch geschenkt hatte. Ihr stockte der Atem angesichts der Schönheit des grünen Ledereinbands. Der in glänzendem Gold darauf geprägte Titel schien unter ihren Fingerspitzen zu singen.
    Die Pflanzenwelt Westamerikas, einheimisch und eingeführt: ein illustrierter Leitfaden.
    Ehrfürchtig hielt Hannah das dicke Buch in beiden Händen und kostete erst noch die Vorfreude aus, bevor sie es öffnete und die erste Seite bewunderte, sich den Namen des Autors einprägte und den des Künstlers, der die original Holzschnitte und Kupferstiche für die Illustrationen gemacht hatte.
    Erst als sie keine Sekunde länger warten konnte, blätterte Hannah die Seite um und entdeckte eine handgeschriebene Widmung von Doss.
     
    Zu unserer Hochzeit und weil ich weiß, dass du dich nach dem Frühling sehnst und nach deinem Garten.
    Doss McKettrick,
    17. Januar 1919
     
    Ein Gefühl, das Hannah nicht wiedererkannte, kroch ihren Hals hinauf und schnürte ihr die Luft ab. Sie folgte seinem Namen mit den Augen und dann mit der Spitze ihres Zeigefingers. Doss McKettrick. Als ob es Männer mit diesem Namen so häufig gäbe wie Dornen in einem Brombeerstrauch

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