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Wintergeister

Wintergeister

Titel: Wintergeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Dorfes ausmachten und wo, wie Madame eingezeichnet hatte, der Ostal zu finden war.
    Ich ging an den Platanen vorbei und dann eine schmale und unscheinbare Gasse neben der Kirche hinunter. Die Kälte kniff mich in Wangen und Hände, daher beeilte ich mich. In den wenigen Momenten, die ich gebraucht hatte, um den Platz zu überqueren, hatte sich ein tiefer Bergnebel herabgesenkt und alles in ein unstetes, durchscheinendes Weiß gehüllt. Er wand sich um Häuser und Straßenecken.
    Ich beschleunigte meine Schritte noch mehr. Von der Impasse de l’Église kam ich in ein Labyrinth von gewundenen Kopfsteinpflastergassen, die alle gleich aussahen und keinerlei Hinweis darauf lieferten, wohin sie führen mochten. Ich wusste, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs war, doch obwohl Madame Galy notiert hatte, welche Gassen ich nehmen solle, war mir nicht klar, welche welche war. Und während die Leute in den Häusern am Platz die Lichter angelassen hatten, war es hier im alten
quartier
äußerst finster. Alle Fensterläden waren geschlossen, die Fenster dahinter verborgen.
    Ich entzündete ein Streichholz, spähte auf die Wegbeschreibung und versuchte zu meiner Orientierung nachzuvollziehen, welche Strecke ich von der Place de l’Église und der Kirche aus zurückgelegt hatte. Ich gelangte zu einer Kreuzung, die auf Madame Galys Skizze nicht eingezeichnet war. Normalerweise stellte ich mich nicht so ungeschickt an, doch das Fehlen von Straßenschildern und der schleichende Nebel machten es mir nicht gerade leicht.
    Dann hörte ich Stimmen, Gesprächsfetzen, Lachen, verzerrte Laute, die von der Nachtluft durch die engen Gassen getragen wurden. Ich faltete die Wegbeschreibung zusammen und steckte sie in die Tasche, entschlossen, mich stattdessen auf meinen Instinkt zu verlassen. Ich ging schneller, folgte einem Weg, dann einem anderen, bis ich schließlich weiter vorne Licht sah und unvermittelt aus dem Straßengewirr auftauchte.
    Genau vor mir erhob sich ein großes rechteckiges Gebäude, ganz ähnlich wie der alte Wollmarkt in Tarascon. Die Nacht hatte es jeglicher Farbe beraubt, aber es ähnelte allen Rathäusern, die ich auf meinen Reisen in den Orten des Südens gesehen hatte. Mit dem allgegenwärtigen hellen Kalkstein der Pyrenäen und dem Walmdach wirkte es schlicht und imposant zugleich.
    An der Vorderseite bildeten drei hohe Bogen eine Kolonnade. Niedrige Stufen erstreckten sich über die gesamte Breite des Gebäudes. Der Staub der Jahre schien sich in den Winkeln und Spalten des Steins angesammelt zu haben. Eine massive hölzerne Flügeltür in der Mitte stand offen und warf ein Rechteck aus einladendem gelben Licht in die Dezembernacht.
    Eine Vorahnung flatterte in meiner Magengrube, als ich die Stufen hinaufstieg und mich in einer Art Eingangshalle wiederfand. Hier war es kaum wärmer als draußen. Vor mir befand sich ein riesiges Tor, knapp vier Meter hoch und mit Schnitzereien verziert, die Früchte und heraldische Symbole darstellten, kunstvolle Formen und Bilder aus dunklem Holz.
    Verwundert über die Ernsthaftigkeit, mit der die Bewohner von Nulle ihr jährliches Fest begingen, zog ich meinen Mantel aus. Denn statt der üblichen Ansammlung von Abendjacken und Mänteln und Stolen hingen hier an schwarzen Eisenhaken reihenweise einfarbige Umhänge in Blau und Rot und Grün und Braun. Dagegen wirkte mein Mantel sonderbar modern und ausgefallen.
    Ich atmete einige Male tief durch, um meine Nerven zu beruhigen, zog dann kräftig meine Tunika glatt und schritt mit allem Selbstbewusstsein, das ich aufbieten konnte, durch das Tor.
    Hitze schlug mir ins Gesicht. Ein warmer Dunst von Menschen und prasselnden Feuern und Geselligkeit. Und Lärm, ohrenbetäubend nach der Stille im alten
quartier
, eine Kakophonie von Gelächter und Geplauder, Geschirrklappern und hin und her eilenden Kellnern. Ich blieb wie gebannt auf der Schwelle stehen, fasziniert von dem Anblick, der sich mir bot. Die Luft war rauchgeschwängert von den offenen Feuern, die am hinteren Ende des Raumes brannten, und zahllose Kerzen in eisernen Wandhaltern erzeugten ein Spiel aus Licht und Schatten, das sich unablässig wandelte, unablässig tänzelte. Ich ließ meinen Blick durch die Halle schweifen, hoffte, Madame Galy zu entdecken, doch es waren zu viele Menschen, um in dem Gedränge einen Einzelnen auszumachen.
    Als sich meine Augen angepasst hatten, gewann ich einen ersten Eindruck von meiner Umgebung. Die Halle war doppelt so lang wie breit und

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