Winterkartoffelknoedel - Ein Provinzkrimi
Kranführer halt. Die zwei begrüßen sich und ich fang an.
Jetzt war es dann so, dass auf jede Fünf-Wort-Frage von mir ein albanischer Redeschwall folgt, das kann man gar nicht glauben. Dass diese Sprache so umfangreich ist, praktisch mindestens das zehnfache Ausmaß hat wie die deutsche. Unglaublich. Und auch unglaublich, dass die immer was zu grinsen haben, die zwei. Besonders, wenn sie mich anschauen.
Irgendwann pack ich den Dolmetscher dann am Kragen.
»Hey, was gibt’s denn da immer zu lachen, mein Freund? Und was erzählt er dir denn so alles Schönes, der Herr Kranführer?«
Und schon hab ich ein Messer am Hals.
Ich zieh meine Waffe und dann machen wir weiter.
Ich hab ihn ganz fest im Visier, und schließlich übersetzt er dann auch.
»Wer nimmt die Karabiner aus den Behältern?«, ist meine erste Frage.
Die albanische Version spar ich mir hier.
»Das mach ich selber.«
»Und wann?«
»Immer wenn ich welche brauch.«
»Sind Ersatzteile im Kran?«
»Ja, so zwei oder drei hab ich immer dabei.«
»Auch aus dem Behälter?«
»Woher wohl sonst?«
»Hey!«
Waffe, Messer, weiter.
»Wann werden die Karabiner überprüft?«
»Nach jedem Einsatz.«
»Und von wem?«
»Na, von den Kranführern natürlich. Oder denken Sie, wir haben da ein Prüfungskomitee?«
Der Dolmetscher übersetzt. Grinsend. Arschloch.
»Wie lange ist der Kran seit dem letzten Einsatz am Firmengelände gestanden?«
Er überlegt, ziemlich lange, kratzt sich am Hirn und sagt schließlich: »Drei Tage.«
»Und wer hatte Zutritt dazu?«
»Im Grunde jeder, der keine Angst vor dem Gorbatschowhat.«
Ja, wunderbar! Jetzt wird das auch noch politisch!
»Was genau hat jetzt der Gorbatschow damit zu tun?«, muss ich jetzt fragen.
»Der Schäferhund. Ich meine, im Grunde kann ein jeder auf das Firmengelände, der keine Angst vor dem Schäferhund hat.«
Der Schäferhund also.
Es braucht aber niemand eine Angst haben vorm Schäferhund, wenn er eine Knarre dabeihat.
Oder eine Weiße. Ja.
Nein, was ich eigentlich sagen wollte, der Karabiner hat ausgeschaut wie neu, jeder hätte ihn austauschen können und Albanisch ist eine ganz grausame Sprache.
Jetzt bin ich zugegebenermaßen ziemlich krank und huste und huste, das kann man kaum glauben, und schleppe mich doch noch schnell in die Gemeindeverwaltung.
Die Susi sagt: »Ja, wie schaust denn du aus?«, und misst mein Fieber mit ihrem Mund.
Dazu muss ich kurz sagen, die Susi ist erstens eine von unseren Verwaltungsdamen und zweitens meine erste Liebe.
Oder Liebelei.
Oder sagen wir so, sie hat’s mir halt beigebracht. Jawohl, das hat sie. Mit allen Schikanen sondergleichen. So ab und zu, wenn’s uns grad reißt, fallen wir immer noch übereinander her.
Heute eher nicht, wegen doppelseitiger Bronchitis. Heute wird’s dann eher beruflich.
»Du Susi, weißt du eigentlich, wo der Neuhofer Hans jetzt wohnt, seit er sein Elternhaus der OTM überlassen hat?«
»Ja, freilich weiß ich das«, nickt die Susi und sie sagt’s mir auch: »Der Hans hat jetzt eine Wohnung in Landshut. Wart, ich schreib dir die Adresse auf«, sagt sie und tippt was in ihren PC.
»Schaust heut noch auf einen Sprung bei mir vorbei? Dann könnt ich dich ein bisschen pflegen?«, schnurrt sie und gibt mir einen Zettel.
»Nein«, sag ich. »Pflegen tut mich die Oma. Ich meld mich, wenn ich wieder brauchbar bin.«
Daheim pflegt mich dann die Oma, und das macht sie gut. Weil, nach jahrelanger Erfahrung mit drei Männern (den Leopold nicht zu vergessen und der war ein Weichei, das glaubst du nicht), nach dieser Erfahrung eben, weiß sie halt, was man so braucht: einen Umschlag und einen Tee, einpaar Wolldecken, Wärmflasche, Fieberthermometer, heiße Milch mit Honig, zwei oder drei Dampfnudeln mit Vanillesoße, einen Rotwein mit Eidotter, zur guten Nacht ein warmes Bier. So einfach ist das! Und am spätestens übernächsten Tag bist du wieder fit, rundum.
Zwei Tage später fahr ich dann zur neuen Bleibe vom Neuhofer. Landshut Stadtmitte Hinterhof. Eineinhalbzimmerwohnung im ersten Stock. Er macht mir die Tür auf und wird nervös. Fragt mich, was ich hier will, und ich schieb ihn zur Seite.
Einrichtung spärlich, praktisch nicht vorhanden. Eine Matratze am Boden, unzählige Kartons. Ich schau mich so um, schalt mein Diktiergerät ein und frag den Neuhofer, wann er den Entschluss gefasst hat, seine Familie auszurotten. Er fragt, ob ich jetzt durchdreh, und lacht. Nervös, sag ich dir. Ich verhör
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