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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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erwischen. Er würde dieverdammten Kerle daran hindern, und wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben tat. Noch so ein theatralischer Spruch, aber wahr. Er würde sie finden und in die Arme nehmen. Nicht einmal dieser Wendigo war stark genug, um ihre Zukunft zu zerstören … niemand.
    Er fuhr über eine verlassene Kreuzung. Der Wind peitschte den Schnee in dichten Wolken über den Asphalt, ließ die Ampeln über der Kreuzung in ihren Halterungen schaukeln. Die Lichter verschwammen im feuchten Nebel.
    »Warum ruft sie nicht an?«, flüsterte er. »Warum meldet sie sich nicht? Ihr darf nichts passieren, auf keinen Fall!«
    Sarah war die erste Indianerin, die er näher kennenlernte. In Springfield gab es keine Indianer, nur Japaner aus der nahen Toyota-Fabrik. Er würde sich näher mit ihrem Volk beschäftigen, um mehr über ihre Herkunft zu erfahren. Bisher wusste er nicht mehr als die meisten anderen Leute. Im Discovery Channel hatte eine Doku gezeigt, wie schlecht es den Sioux in Pine Ridge ging, einem Reservat in South Dakota. Und auf einer Reise in den Westen hatte er das Little Bighorn National Monument besucht, das historische Schlachtfeld, auf dem die Sioux und Cheyenne gegen die Siebte Kavallerie gewonnen hatten. Er war damals noch zu jung gewesen, um die Hintergründe zu begreifen. Höchste Zeit, dass er das nachholte, vielleicht zusammen mit ihr.
    Er fuhr langsam an einem haltenden Stadtbus vorbei und hielt an, als ein junges Pärchen geduckt die Straße überquerte. Sie hatten beide die Kapuzen ihrer Anoraks gegen den treibenden Schnee hochgezogen. Ethan blickte ihnen nach und gab erst wieder Gas, als der Stadtbus ihn rechts überholte.
    In seinem Windschatten fuhr er weiter nach Süden, die leuchtenden Wolkenkratzer im Rückspiegel. In denTürmen brannten nur noch wenige Lichter. Er blickte auf die Uhr am Armaturenbrett, stellte bestürzt fest, dass es schon nach zwei Uhr war. Wo war Sarah? Wo hatte sie sich versteckt? Hatte sie einen warmen und sicheren Ort gefunden? »Sarah!«, flüsterte er wieder. »Warum rufst du nicht an? Du hast doch meine Nummer.«
    Er bog nach links ab, einfach so, und glaubte plötzlich, Sarah über die Straße laufen zu sehen. Sein Fuß trat so plötzlich auf die Bremse, dass der Wagen ins Schleudern geriet. Er lenkte ihn auf die Straße zurück und fuhr hastig rechts ran, als zwei Streifenwagen mit heulenden Sirenen und flackernden Blaulichtern aus einer Seitenstraße schossen. Ein Schwall nasser Schnee löste sich unter ihren Rädern und klatschte auf seine Windschutzscheibe. Er ließ den Scheibenwischer schneller laufen, bis ihm nur noch die wirbelnden Flocken die Sicht versperrten.
    Er stieg aus und ließ seinen Blick über die Straße wandern. Keine Spur von ihr. »Sarah!«, rief er besorgt.
    Father Paul rannte aus dem Haus und sah gerade noch, wie zwei junge Männer in einen Pick-up sprangen. Mit aufheulendem Motor tauchte der Wagen im dichten Schneetreiben unter. Das Nummernschild war nicht zu erkennen.
    Er lief ins Haus zurück, zog seinen Anorak und die Stiefel an und stülpte sich die gefütterte Mütze mit den Ohrenschützern über. Mit dem Autoschlüssel rannte er zu seinem Ford Bronco.
    »Father Paul! Was ist passiert?« Amanda, die Haushälterin, stand in der offenen Tür des Anbaus. Sie hatte ihre Winterjacke übers Nachthemd gezogen und hielt sie am Kragen fest. »Wo wollen Sie denn mitten in der Nacht hin?«
    »Dringende Geschäfte«, gebrauchte er auch dieses Maleine Ausrede. »Legen Sie sich wieder hin, Amanda, sonst holen Sie sich noch eine Erkältung. Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
    »Es ist nach zwei, Father Paul!«
    Der Pater hörte nicht mehr auf sie und stieg in seinen Bronco. Der Motor sprang erstaunlicherweise schon nach dem ersten Schlüsseldrehen an. In einem niedrigen Gang fuhr er vom Parkplatz und folgte dem Pick-up. Erst im Fahren schloss er den Sicherheitsgurt.
    Er schob die Mütze in den Nacken und blinzelte in den heftigen Flockenwirbel. Die Scheibenwischer kämpften verzweifelt und mit einem rhythmischen Knarren dagegen an. Auf der schmalen Straße ins Reservat sah er die Rücklichter des Pick-ups in der Ferne leuchten, ein rotes und ein weißes, anscheind hatte jemand das rote Glas des rechten Strahlers zerschlagen. Kaum einer der »Rez Runners«, wie man die schrottreifen Wagen vieler Indianer nannte, hätte eine Kontrolle bestanden.
    Mit aufgeblendeten Scheinwerfern folgte Father Paul dem Pick-up. Sein Bronco hatte schon

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