Winterlicht
stürzt dich nach vorn wie ein Rammbock“, sagte Trevanion tadelnd, während er dem dritten Mann das Schwert in den Leib stieß.
„Hör auf, mich zu schulmeistern!“, schrie Finnikin.
„Du kämpfst wie ein Charynit!“
Finnikin jaulte auf bei dieser Beleidigung. Charyniten kämpften ohne jede Kunstfertigkeit und nur aus dem Bauch heraus, was Trevanion früher stets mit beißendem Spott kommentiert hatte; daran konnte sich Finnikin noch gut erinnern. Er stieß die Klinge bis zum Heft in den Leib des Gegners und murmelte wütend vor sich hin. Es war nicht seine Schuld, dass sich seine Ausbildung auf fünf verschiedene Höfe verteilt hatte.
„Wieso sind wir immer noch angekettet?“, rief Trevanion und hieb dem letzten Wärter auf den Kopf.
„Yut!“, brüllte Finnikin und sah hinüber zu dem Gefangenen, der seine Kette immer noch um den Hals des Wachmanns geschlungen hatte. „Tot ist der Gegner dann, wenn der Kopf halb weghängt oder der Blick starr wird, also lass ihn endlich los, du Narr. Er lebt nicht mehr.“
Der Yut ließ den verstümmelten Leichnam fallen und machte sich daran, die Fußfesseln der sechs Häftlinge aufzuschließen, ehe er mit einem Satz über den toten Wachmann hinwegsprang und im Steinbruch verschwand. Einer nach dem anderen folgte ihm, jeder für sich allein. Die Gefangenen hielt nichts beieinander. Finnikin fragte sich, wie sie wohl zurechtkommen würden, ohne Pferd und ohne die Landessprache zu verstehen; aber im selben Moment, in dem Trevanion seine Fesseln los war, verschwendete auch er keinen Gedanken mehr an die anderen.
„Nimm die Kette mit“, forderte Trevanion ihn auf. Er selbst griff sich einen schweren Pickel.
„Reichen die Schwerter denn nicht?“, fragte Finnikin zurück.
„Nicht für das, was wir vorhaben.“
Finnikins Blick glitt über die Leichen der Wärter. Sie waren vollkommen entstellt. Und obwohl er schon so viel Gewalt erlebt hatte, wurde ihm übel beim Anblick dessen, was Schwerter und eine Eisenkette anrichten konnten.
„Lass uns gehen.“
Es gab zwei Wege, der eine führte nach Bateaux, der andere nach Westen zur Küste. Trevanion wählte keinen von beiden, sondern deutete stattdessen auf die Minenstollen. Finnikin biss sich auf die Zunge, um nicht auszurufen: Was, im Namen der Göttin, ist bloß in dich gefahren, Trevanion? Sein Vater wusste doch nur zu gut, dass alle Gänge hier unweigerlich in das unterirdische Gefängnis mündeten.
„Die Straße nach Bateaux werden vermutlich die anderen wählen. Die Soldaten und Aufseher werden sie bestimmt als Erstes absuchen.“
„Aber mitten durch das Bergwerk hindurch?“
„Nicht hindurch, sondern darüber hinweg.“ Trevanion deutete nach oben. „Wir klettern hinauf und wählen die Gipfelroute. Der Schrein der Sagrami befindet sich jenseits der letzten Höhle vor den Bergen. Dort klettern wir wieder hinunter und holen uns die Pferde.“
Der Felsen vor ihnen schien unüberwindlich zu sein, ohne Furchen oder andere Vertiefungen, die den Füßen Halt geboten hätten. Trevanion trat einen Schritt zurück, nahm die lange Kette, befestigte den Pickel daran, indem er die Kette ein-, zwei-, dreimal um ihn schlang, dann nahm er den Pickel und warf ihn mit aller Kraft so weit hinauf, wie er nur konnte. Er verfehlte sein Ziel und Vater und Sohn wichen gerade noch rechtzeitig aus, ehe der Pickel krachend auf die Erde fiel. Trevanion versuchte es erneut, allerdings nicht mit genügend Kraft, und er zog an der Kette, damit der Pickel sich nicht an einer viel zu niedrigen Stelle verhakte. Dann versuchte Finnikin sein Glück, aber jedes Mal klatschte der Pickel gegen die glatte Felswand und rutschte in die Tiefe.
Plötzlich vernahmen sie ein Geräusch aus Richtung von Bateaux, das ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hundegebell. Jemand hatte Alarm ausgelöst.
„So bald schon“, fluchte Finnikin.
„Daran ist bestimmt der hirnlose Charynit schuld“, murmelte Trevanion.
„Wir könnten uns in einem der Felsenhohlräume am Fluss verstecken“, schlug Finnikin vor. „Am Wasser können die Hunde unsere Fährte nicht aufnehmen.“
Trevanion schüttelte den Kopf. „Nach dem vielen Regen würde das unseren sicheren Tod bedeuten, Finn.“
Die Spürhunde kamen näher, ihr Bellen wurde lauter, ungestümer. Trevanion drehte sich nach dem Geräusch um, dann sah er Finnikin ebenso traurig wie entschlossen an.
„Nein. Auf gar keinen Fall“, sagte Finnikin.
„Hör mir z u …“
„Nein!“, schrie
Weitere Kostenlose Bücher