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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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hatte. Das eine oder andere Bier hatte er doch gehoben. Normalerweise nahm er das nicht so genau, denn auf den Kieswegen, über die sie nach Hause fuhren, hatte er noch nie eine Polizeistreife gesehen. Aber jetzt mussten sie die Autobahn nehmen.
    Verdammter Wolf. Wenn er nicht so getrödelt hätte, wären nicht so viele Biere zusammengekommen.
    Wider alle Vernunft nahm er dann auch einen Schluck aus dem Flachmann, aus dem der Wolf und Pilen abwechselnd tranken. Scheiß doch drauf. Wenn er ins Röhrchen pusten musste, war der Lappen sowieso weg.
    Obendrein fing es jetzt auch noch richtig an zu schneien. Die uralten Scheibenwischer des Pick-ups machten die Sicht nur noch schlechter. Vor lauter Anstrengung, das Auto in der Spur zu halten, bekam er Kopfweh, aber er hatte weiß Gott keine Lust, diesen Scheißabend im Straßengraben zu beenden.
    Der Wolf machte ein Nickerchen und hatte seinen Kopf auf den Sicherheitsgurt gelegt, den er gründlich vollsabberte. Plötzlich hörte Målle sich selbst aufschreien und er verlor einen Augenblick die Kontrolle über sein Fahrzeug. Die Reifen hatten auf einer Eisplatte den Halt verloren, und das Auto war beängstigend nahe an den Straßengraben geschliddert, wo es mit einem Ruck zum Stehen kam.
    Der Wolf wachte auf und stierte ihn wild an. »Hey, was machst ’n du da?«
    »Da war was! Ich wär grade beinah in ...«
    Mit klopfendem Herzen wischte er die von innen beschlagene Scheibe und entdeckte eine Gestalt vorm Auto.
    Er riss die Tür auf. »Verdammt noch mal, pass doch auf!«
    Während er so schreit, donnert der Mann die Faust auf die Motorhaube. »Verdammt!«
    Die Scheinwerfer blenden My, und sie hebt die Arme vor die Augen. Trotzdem erkennt sie in dem Fahrer den Typ, der ihr vorhin vor die Füße gespuckt hat. Sie hat im Laufe ihres Lebens schon genug Betrunkene erlebt und weiß ihn gleich einzuordnen: Er gehört zu denen, die der Alkohol aggressiv macht.
    »Pass doch auf, Mann!«, wiederholt er, aber diesmal schon mit weniger Überzeugung. Sie lässt ihr Fahrrad los und macht ein paar Schritte auf ihn zu. » Ich soll aufpassen? Hast du gemerkt, wie du fährst, du Irrer? Du hast mich fast umgenietet!«
    Ein paar Sekunden hört man noch das leiser werdende Sirren des Reifens, der sich in der Luft weitergedreht hat, nachdem My das Fahrrad hingeworfen hat.
    Als es schließlich verstummt, hört man plötzlich die Geräusche des Waldes. Ein leises Tropfen. Ein Knacken, ein Prasseln.
    Im Scheinwerferlicht kann My nur die Silhouette des Mannes erkennen: sein Haar, die Jacke mit der breiten Schulterpartie. Sie macht einen Schritt zur Seite, um aus den Lichtkegeln zu treten.
    Im Pick-up bewegt sich etwas, jemand wacht auf und stöhnt. Gleichzeitig geht die Beifahrertür auf, und ein Typ plumpst aus dem Auto. Groß und besoffen wie noch mal was.
    »Verdammt ... Hey, Mädel, du kannst gern bei mir auf dem Schoß sitzen!«, lallt er und klopft sich wiehernd auf den Schritt. Sein Gesicht ist schweißbedeckt, und die Augen über seinem Bart sind blutunterlaufen.
    Auf dem Rücksitz entdeckt sie noch einen dritten.
    Mys Herz beginnt wild zu klopfen, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jetzt bloß keine Angst zeigen. Sie beugt sich ein bisschen zum Fahrer vor. Seine Fahne schlägt ihr entgegen. »Du bist ja total besoffen, Mann. Du hast echt Glück gehabt. Wenn du mich überfahren hättest, wärst du dran gewesen.«
    Sie geht zurück zu ihrem Fahrrad. »Halbstarke Schweine«, murmelt sie.
    »Okay, entschuldige. Aber jetzt kannst du auch mal aufhören zu meckern!« Seine Stimme hat einen quengeligen Unterton, als wäre er in seiner Wut verunsichert. »Soll ich dein Rad hinten reintun? Du siehst ja auch nicht mehr ganz fit aus.«
    Jetzt bloß keine Angst zeigen. Nur irgendwie nach Hause kommen . »Und wenn ich halbtot wäre, würde ich trotzdem nicht zu dir ins Auto steigen.«
    Jetzt stand das Mädchen wieder im Scheinwerferlicht. Diesmal schirmte sie die Augen nicht ab, sondern stand einfach da und wartete auf die Fortsetzung. Von ihrem Standort konnte sie ihn nicht sehen, nicht so, wie er sie sah.
    Sie hatte ein niedliches Mädchengesicht, das in lächerlichem Kontrast zu ihren viel zu großen Männerkleidern stand. Von der Kälte waren ihre Wangen gerötet wie bei einem Kind. Ein schrecklich wütendes Kind. Irgendwie fand Målle ihren Anblick ebenso anziehend wie ärgerlich. Er hatte sich schließlich entschuldigt. Er hatte ihr angeboten, sie mitzunehmen, und überhaupt hätte sie ja auch

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