Winterträume
lachen zu müssen. Doch lachten sie nicht mit dem Fremden, sondern über ihn. Wer auf solche Weise sprach, der war in ihren Augen entweder irrsinnig betrunken oder einfach irrsinnig.
»Ich nehme an, Sie sind gleichfalls Yale-Männer«, sagte Peter, während er seinen Highball austrank und sich bereits den nächsten mischte.
Sie lachten abermals.
»Nö-höhö.«
»Ach so? Und ich hatte gemeint, Sie wären vielleicht Kommilitonen der unter dem Namen Sheffield Scientific School bekannten niederen Abteilung der Universität.«
»Nö-höhö.«
»Hm. Wie schade. Dann sind Sie ohne Zweifel Harvard-Leute und darauf bedacht, in diesem – diesem Paradies in Veilchenblau, wie die Zeitungen schreiben, Ihr Inkognito zu wahren.«
»Nö-höhö«, sagte Key höhnisch, »wir wartn bloß uff wen.«
»Ah ja«, rief Peter aus und erhob sich, um ihre Gläser neu zu füllen, »sehr interessant. Wohl ein Rendezvous mit einer Lady vom Scheuerlappengeschwader, wie?«
Das wiesen beide empört zurück.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Peter beschwichtigend, »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Die Ladys vom Scheuerlappengeschwader sind nicht besser und nicht schlechter als sonst irgendeine Lady auf dieser Welt. Wie heißt es doch so schön bei Kipling? ›Unter der Haut ist jede Lady ’ne Judy O’Grady.‹«
»Gewiss doch«, sagte Key und zwinkerte Rose vielsagend zu.
»Zum Beispiel mein Fall«, fuhr Peter fort und leerte sein Glas. »Ich bin mit einer hergekommen, die ist so was von verwöhnt. Die verwöhnteste Göre, die ich je erlebt hab. Hat sich geweigert, mich zu küssen; ohne jeden Grund. Erst verleitet sie mich mutwillig dazu, dass ich annehmen muss: aber selbstverständlich will sie mich küssen, und dann – peng! – lässt sie mich sitzen! Die Jugend von heute –wo soll das bloß noch hinführen?«
»Is ’n harter Schlach«, sagte Key. »’n furschbar harter Schlach.«
»Mein lieber Scholli!«, sagte Rose.
»Sie auch noch einen?«, fragte Peter.
»Also wir sind vor ’ner Weile in so ’ne Art Kampf reingeraten«, sagte Key nach einer Pause, »war abba zu weit wech.«
»Ein Kampf? – Dolle Sache!«, sagte Peter und setzte sich schwankend wieder hin. »Macht sie fertig, alle Mann! Ich war auch in der Army.«
»Da war so ’n Bolschewistenbengel.«
»Dolle Sache!«, rief Peter begeistert. »Sag ich doch immer! Fertigmachen, diese Bolschewisten! Alle ausrotten!«
»Wir sind Ammörikana«, sagte Rose – ganz standhaft-trotziger Patriot.
»Aber gewiss doch«, sagte Peter. »Die Größten auf der Welt! Wir sind alle Ammörikana! Ihr nehmt doch noch einen?«
Und da nahmen sie noch einen.
VI
Nachts um eins traf im Delmonico ein ganz besonderes Orchester ein, ein Orchester, das selbst an einem Tag mit lauter besonderen Orchestern noch etwas ganz Besonderes war und dessen Mitglieder sich mit arroganter Miene rund um den Flügel herum niederließen und die Güte hatten, die Studentenverbindung Gamma Psi mit Musik zu versorgen. Ihr Leiter war ein berühmter Flötenspieler, der es draufhatte, auf dem Kopf stehend im Shimmy-Rhythmus mit den Schultern zu wackeln und dabei auf seiner Flöte den neusten Jazz zu spielen, was ihn in ganz New York bekannt gemacht hatte. Während seiner Darbietung gingen alle Lichter aus, bis auf ein Spotlight für den Flötenspieler und einen hin und her schwenkenden Scheinwerfer, der die dicht gedrängte Schar der Tanzenden bald in flackernde Schatten, bald in ein Meer von kaleidoskopartig wechselnden Farben tauchte.
Edith hatte sich in jenen müden, traumverlorenen Zustand getanzt, in den normalerweise nur Debütantinnen geraten, einen Zustand, etwa vergleichbar dem stillen Glühen eines edlen Gemüts nach dem soundsovielten doppelten Highball. Benebelt wiegte sich ihr Geist am Busen ihrer eigenen Musik; unwirklichen Phantomen gleich lösten sich ihre Partner ab im bunten Wechselspiel des Schummerlichts, und in dem zeitweiligen Dämmerzustand, in dem sie sich befand, kam es ihr vor, als tanzte sie seit Tagen schon auf diesem Ball. Sie hatte mit allen möglichen Männern alle möglichen Themen gestreift. Einmal war sie geküsst und sechsmal zärtlich umschlungen worden. Am Anfang des Abend hatten mehrere Studenten aus den unteren Semestern mit ihr getanzt, inzwischen aber hatte sie, wie die Begehrteren der Mädchen allesamt, ihre eigene Entourage – was bedeutete, dass ein halbes Dutzend Kavaliere entweder auf sie allein ein Auge geworfen hatten oder aber noch zwischen
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