Winterträume
vorbei, das unten an der Tür stand – er ein Kellner mit fliehendem Kinn, sie eine allzu auffällig geschminkte junge Dame –, öffnete die Tür zur Straße und trat hinaus in die laue Maiennacht.
VII
Die allzu auffällig geschminkte junge Dame schickte ihr einen kurzen, verbitterten Blick hinterher, bevor sie sich wieder dem Kellner mit dem fliehenden Kinn zuwandte und fortfuhr, sich mit ihm zu streiten.
»Wenn Sie nicht auf der Stelle raufgehn und ihm sagen, dass ich da bin«, erklärte sie trotzig, »dann geh ich selber.«
»O nein, das werden Sie nicht tun!«, sagte George unnachgiebig.
Das Mädchen grinste höhnisch.
»Ach, werd ich nicht, nein, werd ich nicht? Na, dann werd ich Ihnen mal was sagen, ich kenne wesentlich mehr Collegeleute, die mich kennen und mich liebend gerne mit auf eine Party nehmen möchten, als Sie in Ihrem Leben gesehn haben.«
»Das mag schon sein –«
»Das mag schon sein«, äffte sie ihn nach. »Oh Mann, jeder kann hier einfach so rein- und rausrennen – wie die da grade eben, weiß der Himmel, wo die hin ist –, da sagt keiner was, bloß weil die ’ne Einladung haben, können sie kommen und gehen, wie’s ihnen passt, aber wenn ich mich hier mit ’nem Freund treffen will, da stelln sie so ’n schäbigen, speckigen Hamburgerjongleur hierhin, damit er mich rausschmeißt.«
»Hören Sie mal«, sagte der ältere Key empört, »ich kann es mir nicht leisten, meine Stellung zu verlieren. Vielleicht will Sie der Kerl, von dem Sie mir hier erzählen, ja gar nicht sehen.«
»Und ob der mich sehn will!«
»Und überhaupt, wie soll ich ihn denn finden in dem Gedränge hier?«
»Oh, der wird schon da sein«, behauptete sie im Brustton der Überzeugung. »Fragen Sie einfach nach Gordon Sterrett, die werden Ihnen schon zeigen, welcher das ist. Die kennen sich doch alle untereinander, diese Burschen.«
Sie holte ein silbergewirktes Abendtäschchen hervor, entnahm ihm eine Dollarnote und drückte sie George in die Hand.
»Hier«, sagte sie, »Schmiergeld. Sie gehn ihn suchen und richten ihm meine Nachricht aus. Sie richten ihm aus, wenn er nicht in fünf Minuten hier ist, komm ich rauf.«
George schüttelte pessimistisch den Kopf, überlegte einen Moment, rang heftig mit sich – und zog ab.
Die gesetzte Frist war noch nicht verstrichen, als Gordon bereits die Treppe herunterkam. Er war stärker und irgendwie anders betrunken als vorhin. Es schien, als hätte sich der Alkohol um ihn herum verhärtet und eine Art Kruste gebildet. Er taumelte und sprach mit schwerer Zunge, kaum verständlich.
»He, Jewel«, sagte er schleppend. »Bin gleich gekomm’. Du, Jewel, das Geld hab ich nich zusammkricht. Hab alles versucht.«
»Ach, Geld!«, fuhr sie ihn an. »Du hast dich schon zehn Tage nicht mehr bei mir blicken lassen. Was ist los?«
Er schüttelte schwerfällig den Kopf. »Bin total am Boden gewesen, Jewel. Bin krank gewesen.«
»Warum hast du mir denn nicht Bescheid gesagt, wenn du krank warst. Das Geld ist mir doch gar nicht so wichtig. Ich hab doch überhaupt erst angefangen, dir deswegen die Hölle heiß zu machen, als du dich plötzlich nicht mehr hast blicken lassen.«
Er schüttelte abermals den Kopf.
»Nich blicken lassen? Stümmt doch ganich.«
»Das stimmt wohl! Du hast drei Wochen lang nichts von dir hören lassen, außer, du warst dermaßen blau, dass du nicht mehr gewusst hast, was du tust.«
»Ich war krank, Jewel«, wiederholte er und sah sie mit todmüden Augen an.
»Ach, aber um hierherzukommen und dich mit deinen Freunden aus der feinen Gesellschaft zu amüsieren, dazu bist du nicht zu krank. Du hast gesagt, du willst heute Abend mit mir essen gehn, du hast gesagt, du hast Geld für mich. Nicht mal angerufen hast du.«
»Ich konnte doch keins auftreiben, kein Geld.«
»Hab ich dir nicht grade gesagt, dass mir das Geld egal ist? Ich wollt dich einfach sehen, Gordon, aber du ziehst ja offensichtlich jemand anders vor.«
Das stritt er ganz erbittert ab.
»Dann hol gefälligst deinen Hut und komm«, verlangte sie.
Gordon zögerte, und da kam sie plötzlich ganz nah an ihn heran und schlang ihm beide Arme um den Hals.
»Komm mit mir mit, Gordon«, sagte sie beinahe flüsternd. »Wir gehn rüber ins Divineries und trinken was, und nachher kommst du mit zu mir nach Hause.«
»Ich kann nich, Jewel –«
»Klar kannst du«, sagte sie eindringlich.
»Mir is hundeelend!«
»So? Na, dann kannst du aber auch nicht hierbleiben und tanzen.«
Gordon,
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