Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
ich mit den Hoyts drüben im Biltmore. Kannst du nicht vielleicht morgen zum Mittagessen rüberkommen?«
    Er überlegte einen Moment.
    »Ich hab grad so besonders viel zu tun«, sagte er entschuldigend, »und außerdem hasse ich Frauen, wenn sie im Rudel auftreten.«
    »Na gut«, gab sie gelassen nach. »Dann gehen halt wir zwei zusammen Mittag essen.«
    »Einverstanden.«
    »Um zwölf hol ich dich ab.«
    Bartholomew hatte es sichtlich eilig, wieder an seinen Schreibtisch zu kommen, fand es aber offenbar ungehörig, sich ohne eine spaßige Bemerkung zurückzuziehen.
    »Nun ja«, fing er verlegen an.
    Die beiden drehten sich zu ihm herum.
    »Nun ja, vorhin – also vorhin gab’s ja hier schon eine kleine Aufregung.«
    Die zwei Männer wechselten einen Blick.
    »Sie hätten ein bisschen früher kommen sollen«, fuhr Bartholomew etwas mutiger fort. »Vorhin gab’s hier ’ne richtige kleine Varietévorstellung.«
    »Ach, wirklich?«
    »Ein Ständchen«, sagte Henry. »Da unten auf der Straße, da hatte sich ein Haufen Soldaten zusammengerottet, plötzlich haben sie angefangen, zu unserem Schild hier heraufzubrüllen.«
    »Aber wieso denn?«, wollte Edith wissen.
    »War halt ’ne Zusammenrottung«, sagte Henry zerstreut. »Zusammenrottungen müssen Krach machen, das gehört dazu. So ’n richtigen Anführer hatten die anscheinend nicht, sonst wären sie bestimmt hier eingedrungen und hätten alles kurz und klein geschlagen.«
    »Ja«, sagte Bartholomew und wandte sich abermals an Edith, »schade, dass Sie nicht hier waren.«
    Dies schien ihm als Stichwort für seinen Rückzug auszureichen, denn nun machte er abrupt kehrt und ging zurück zu seinem Schreibtisch.
    »Sind denn alle Soldaten gegen die Sozialisten?«, fragte Edith ihren Bruder. »Ich meine, greifen die euch richtig an, richtig mit Gewalt und so?«
    Henry setzte seinen Augenschirm wieder auf und gähnte.
    »Die Menschheit hat’s wahrhaftig weit gebracht«, sagte er leichthin, »aber bei den meisten von uns schlägt der alte Adam immer wieder durch; diese Soldaten, die wissen selber nicht, was sie wollen oder was sie hassen oder was ihnen gefällt. Die sind es gewohnt, immer in großer Formation vorzugehen, und darum müssen sie anscheinend alle naselang Demonstrationen machen. Und diesmal geht es halt per Zufall gegen uns. Heute Abend gab’s überall in der Stadt Unruhen. Ist eben Erster Mai, nicht wahr.«
    »Waren die Turbulenzen hier bei euch denn ernst?«
    »Keine Spur«, sagte er höhnisch. »So gegen neun sind an die fünfundzwanzig Leute unten auf der Straße stehengeblieben und haben den Mond angebellt.«
    »Ach.« – Sie wechselte das Thema. »Sag mal, Henry, freust du dich eigentlich wirklich, mich zu sehen?«
    »Ja, sicher.«
    »Macht aber gar nicht den Eindruck.«
    »Klar freu ich mich.«
    »Ich nehme an, in deinen Augen bin ich ein – ein wertloser Mensch. Der schädlichste Schmetterling der Welt sozusagen.«
    Henry lachte.
    »Überhaupt nicht. Amüsier dich ruhig, solang du noch jung bist. Wie kommst du denn bloß auf so was? Seh ich etwa aus wie ein Tugendbold, einer, der keinen Spaß versteht?«
    »Nein« – sie überlegte einen Moment –, »mir ist bloß grad so durch den Kopf gegangen, wie grundlegend sich doch die Gesellschaft, bei der ich da drüben bin, von – von all den Idealen unterscheidet, die du vertrittst. Das passt doch irgendwie nicht recht zusammen, nicht wahr? Ich bin da drüben auf so einem Ball, und du bist hier und arbeitest für eine völlig andere Sache, und wenn deine Ideen umgesetzt werden, sind solche Bälle ein für alle Mal passé.«
    »Ich sehe das nicht so. Du bist jung, und du verhältst dich genau so, wie es deiner Erziehung entspricht. Nur zu – geh nur und amüsiere dich.«
    Sie hörte auf, gedankenverloren mit den Beinen zu baumeln, und ihr Ton wurde ernster.
    »Ich wünschte, du – du würdest wieder heimkommen nach Harrisburg und dich ebenfalls amüsieren. Bist du dir wirklich sicher, dass du auf dem richtigen Wege bist –«
    »Sehr schöne Strümpfe hast du an«, fiel er ihr ins Wort. »Was ist das denn nur für ein Material, aus dem die sind?«
    »Die sind bestickt«, erwiderte sie und senkte den Blick. »Hübsch, nicht?« Sie hob die Röcke hoch und entblößte ihre schlanken, seidenumspannten Waden. »Oder hast du was gegen Seidenstrümpfe?«
    Leicht gereizt, wie es schien, richtete er seine dunklen Augen auf sie und sah sie durchdringend an.
    »Hör mal, Edith, du willst mich doch wohl nicht

Weitere Kostenlose Bücher