Winterträume
Rudolph, aber der Junge wich zurück, so dass Pater Schwartz sich wieder auf seinen Stuhl sinken ließ, mit trockenen, brennenden Augen. »Hast du schon mal einen Vergnügungspark gesehen?«
»Nein, Vater.«
»Nun, dann geh hin und sieh dir einen an.« Der Priester beschrieb eine vage Geste mit der Hand. »Das ist so etwas wie ein Jahrmarkt, nur viel, viel glänzender. Geh einmal abends hin, und halte dich ein wenig abseits an einer dunklen Stelle, unter dunklen Bäumen. Dann siehst du ein riesiges Rad ganz aus Lichtern, die in der Luft kreisen, und eine lange Rutschbahn, über die Boote ins Wasser schießen. Irgendwo spielt eine Musikkapelle, dazu ein Geruch von Erdnüssen – und alles glitzert. Aber es gemahnt dich an nichts, weißt du. Es schwebt nur so da in der Nacht, wie ein bunter Luftballon – wie eine riesige gelbe Laterne an einem Mast.«
Pater Schwartz runzelte die Stirn; plötzlich fiel ihm noch etwas ein. »Aber geh nicht zu dicht heran«, warnte er Rudolph, »denn dann fühlst du nichts weiter als Hitze und Schweiß und das Leben.«
Diese ganze Rede berührte Rudolph umso merkwürdiger und peinlicher, als der Mann ein Priester war. Halb erschreckt saß er da, seine schönen Augen weit aufgerissen, und starrte Pater Schwartz an. Doch auf dem Grunde seines Entsetzens fühlte er sich in seinen innersten Überzeugungen bestätigt. Irgendwo gab es etwas unaussprechlich Herrliches, das nichts mit Gott zu tun hatte. Er glaubte nicht mehr, dass Gott ihm wegen seiner Lüge zürne; denn Er hatte wohl verstanden, dass Rudolph das nur getan hatte, um der Sache im Beichtstuhl einen schöneren Anstrich zu geben, seine unbedeutenden Geständnisse herauszuputzen, indem er etwas Stolzes, Eindrucksvolles sagte. In dem Augenblick, da er sich in der Reinheit seiner Ehre bestätigt sah, hatte sich ein silberweißes Fähnlein irgendwo im Wind entfaltet, er hörte das Knirschen von ledernem Sattelzeug, sah silberne Sporen blitzen und einen Reitertrupp auf grüner Anhöhe die Dämmerung erwarten. Die Sonne besternte leuchtend ihre Brustpanzer, wie zu Hause auf dem Bild der deutschen Kürassiere bei Sedan.
Aber jetzt stammelte der Priester unartikulierte Worte voller Herzensqual, und den Jungen packte wildes Entsetzen. Vom offenen Fenster her schien sich ein Schrecken auszubreiten, und die Atmosphäre im Zimmer war mit einem Schlage verändert. Pater Schwartz brach vornüber in die Knie und ließ sich gegen einen Stuhl zurückfallen.
»Oh, mein Gott!«, schrie er mit entstellter Stimme und sank zu Boden.
Dem abgewetzten Gewand des Priesters entstieg eine Ausdünstung menschlicher Beklemmung und mischte sich mit dem schwachen Geruch von Speiseresten in den Falten. Rudolph stieß einen schneidenden Schrei aus und rannte in panischer Angst aus dem Haus. Indessen lag der zusammengebrochene Mann still, und der Raum um ihn füllte sich an mit Stimmen und Gesichtern, bis sich alles zu einer Phantasmagorie zusammendrängte und laut widerhallte von einem langgezogenen, schrillen Gelächter.
Draußen vor dem Fenster zitterte der blaue Scirocco über den Weizenfeldern, und Mädchen mit gelbem Haar bewegten sich mit sinnlichem Gang auf den Wegen zwischen den Feldern und riefen den jungen Männern, die in den Ackerfurchen arbeiteten, unschuldige, erregende Dinge zu. Beine zeichneten sich unter weich fallendem Baumwollstoff ab, und am Halsausschnitt wurden die Kleider heiß und feucht. Fünf Stunden lang hatte jetzt das heiße, üppige Leben in der Nachmittagssonne geglüht. In drei Stunden würde es Nacht sein, und überall verstreut im Gefilde am Rande des Weizens würden diese blonden Mädchen des Nordens mit den hochgewachsenen jungen Männern von den Farmen liegen, über ihnen der Mond.
Rags Martin-Jones und der Pr-nce of W-les
I
Eines Aprilmorgens glitt die Majestic in den Hafen von New York. Hochnäsig passierte sie Schlepper und schildkrötengemächliche Fähren, zwinkerte dann einer herausgeputzten jungen Yacht zu und beorderte einen Viehfrachter mit einem verächtlichen Dampfstoß aus dem Weg. Zuletzt parkte sie an ihrem persönlichen Dock mit der Umständlichkeit einer dicken Dame, die sich setzt, und verkündete selbstzufrieden, dass sie frisch aus Cherbourg und Southampton zurück war, mit einer Ladung der allerfeinsten Leute der Welt an Bord.
Die allerfeinsten Leute der Welt standen an Deck und winkten töricht ihren armen Verwandten zu, die am Kai auf Handschuhe aus Paris warteten. Bald darauf hatte ein
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