Winterträume
Zelda trägt. Der Schriftsteller Jeffrey Curtain ist mit der Balletteuse Roxanne Milbank verheiratet. Beide sind keine Stars, aber sie sind glücklich miteinander. Nachdem sie eine Spanne ihres Lebens in Hotels verbracht haben, kaufen sie ein altes Haus in Marlowe außerhalb von Chicago. Sie leben glücklich miteinander, bis Jeffrey an einem Hirntumor erkrankt und zum Invaliden wird. Stumm, blind, gelähmt, ohne Bewusstsein liegt er da. Roxanne pflegt ihn elf Jahre lang. Sie ist sechsunddreißig, als er stirbt. Harry, der inzwischen verlassene Gatte des zweiten Paars, kommt sie besuchen, doch es bleibt bei einer freundschaftlichen Beziehung.
Ähnlich wie ›Die Kristallschüssel‹ ist ›Der Bodensatz des Glücks‹ eine Geschichte, die einem weniger begabten Autor als Fitzgerald wohl gründlich missglückt wäre. Doch ihm gelingt es, sein Parlando auch in diesen schweren Stoff zu bringen. Das zeigt sich schon beim brillanten Einstieg: Mit liebevoller Ironie verweist er auf die Jahrgänge alter Magazine und Feuilletons aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen der geneigte Leser noch die eine oder andere Kurzgeschichte Jeffrey Curtains oder einen Beitrag über Roxanne Milbank als zweite Besetzung in The Daisy Chain entdecken könne. Damit sind die beiden Hauptfiguren situiert: Sie sind unwichtig für die große Welt, eine Fußnote in der Geschichte der Populärkultur – aber wichtig füreinander.
1921 war das Jahr von Zeldas Schwangerschaft und Niederkunft mit der Tochter Scottie, das Jahr einer ausgedehnten Europareise des Paars und vor allem das Jahr der Arbeit am Roman Die Schönen und Verdammten, dem bis heute unterschätzten Zweitling, der ab September 1921 in sieben Folgen im Metropolitan abgedruckt wurde, bevor er im Frühjahr 1922 als Buch erschien. Deshalb verkaufte Fitzgerald – nach sechs Stories im Jahr 1919 und deren zehn im Jahr 1920 – 1921 lediglich eine einzige Geschichte; 1922 waren es dann wieder vier, 1923 sieben und 1924 zehn. Dem vergleichsweise bescheidenen Output zum Trotz war 1921 für Fitzgerald finanziell ein gutes Jahr. Der Vorabdruck des Romans und Tantiemen für seine ersten beiden Bücher brachten zusammen mit einigen kleineren Einkünften eine Summe zusammen, die mit 19000 Dollar sogar leicht über derjenigen des Vorjahrs lag. Freilich kassierte Fitzgerald für die einzige in diesem Jahr publizierte Geschichte, ›Der Schwarm aller Männer‹, von der Saturday Evenening Post auch das neue Rekordhonorar von 1500 Dollar.
›Der Schwarm aller Männer‹ läuft auf ein überraschendes Happy End hinaus; dies aber ist die einzige Konzession der Story an den Publikumsgeschmack. Bis es zur Schlusspointe kommt, lässt Fitzgerald alle konventionelle Gefälligkeit hinter sich. Fesselnd, eindringlich, mit äußerster Präzision im Detail erzählt er die Geschichte Yancis, die mit ihrem Vater im Mittleren Westen lebt. Die Mutter ist tot; der Vater macht »Geschäfte«, was sich darin äußert, dass er meist Golf spielt und Whiskey trinkt. Die Tochter führt indes – wir kennen diesen Typus von junger Frau inzwischen sehr gut – ein mondänes Partyleben im Country Club. Dort taucht eines Tages Scott Kimberley auf, ein reicher, verwaister junger Mann aus New York, der gerade seine Tante besucht. Die Begegnung im Club ist so unvermeidlich wie das anschließende Tanzen und Flirten. Doch der Abend verläuft nicht ohne Peinlichkeiten: Yancis Vater trinkt so viel, dass er nicht mehr heimfahren kann. Scott übernimmt die Aufgabe, Yanci schämt sich zutiefst. Als sie zu Hause angekommen sind, schwadroniert der Vater noch eine Weile, singt fahrig zur Gitarre und schläft am Tisch ein. Das junge Paar entflieht und macht noch eine Spritzfahrt. Es kommt zum ersten Kuss; irgendwo gibt es auch noch Spiegeleier und Schinken. Als Yanci schließlich heimgebracht wird, wirkt ihr Vater nüchtern. Er scheint etwas gutmachen zu wollen und stellt der Tochter einen Scheck aus, damit sie sich ein paar Tage in New York gönnen kann. Augenblicke später sinkt er tot zusammen. In den folgenden Wochen muss Yanci erfahren, dass er ihr so gut wie nichts hinterlassen hat. Selbst der in der Todesstunde überreichte Scheck erweist sich als ungedeckt. Mit dieser Situation kann sie überhaupt nicht umgehen, eine andere Perspektive als die, ein bequemes Leben zu führen und sich einen reichen Mann zu angeln, hat sie nicht. Sie fährt nach New York, steigt im Ritz ab, spielt die große Dame und versucht Scott zu
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