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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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kapern. Und sie glaubt, ihr Ziel am besten dadurch zu erreichen, dass sie ihn leiden lässt. Sie gibt vor, zahlreiche andere Verabredungen zu haben, sogar eine Einladung zu einem Ehemaligen-Ball in Princeton, und vertröstet ihren Auserwählten immer wieder. Dieses Spiel spielt sie, bis buchstäblich ihr letzter Cent verbraucht ist. Doch Scott, der die ganze Zeit höflich, korrekt, geduldig und zurückhaltend bleibt, hat sie längst durchschaut und nur auf den Moment gewartet, in dem er als ihr Retter auftreten kann.
    ›Der Schwarm aller Männer‹ zeigt einmal mehr Fitzgeralds Sensibilität für die beiden Themen Alkoholismus und Hochstapelei. Unübertrefflich schildert er Yancis Vater in seiner heimlichen Sucht in allen ihren Phasen von vermeintlicher Leichtigkeit des Seins und Überschwang über die Pampigkeit und Peinlichkeit bis zum Zusammenbruch; er kennt jede kleine Lebenslüge des Süchtigen und beobachtet scheinbar teilnahmslos die Fehlfunktionen des benebelten Gehirns. Ebenso unerbittlich und exakt führt er uns die junge Frau in ihrer Hilflosigkeit vor: Die Schlinge zieht sich immer enger um ihren Hals, sie aber findet keinen Ausweg. Auf die Idee, beispielsweise eine Arbeit zu suchen und sich auf eigene Füße zu stellen, kommt sie gar nicht. Fitzgerald beschreibt Yanci nicht ohne Bitterkeit – und doch verachten wir sie nicht, sondern leiden mit ihr. Wir folgen ihren hilflosen Kapricen atemlos, weil wir jeden Augenblick fürchten, dass sie die Beziehung zu Scott in den Sand setzt. Sie treibt uns buchstäblich zur Verzweiflung. Dennoch sehen wir ihren guten Kern. Es gelingt Fitzgerald, Yanci nicht nur als verwöhnte Egoistin, sondern auch als Kind ihrer Zeit zu schildern. Damit zeigt er uns, dass es auch in den Roaring Twenties nicht nur emanzipierte junge Frauen mit Bubikopf gab.
    In Fitzgeralds »Hauptbuch« wird das Jahr 1922 als schlechtes, unproduktives Jahr verzeichnet. Das mag damit zu tun haben, dass der im März erschienene Roman Die Schönen und Verdammten, der als Gesellschaftskomödie beginnt, dann aber in die erschütternde Darstellung einer Alkoholikerkarriere mündet, bei der Kritik wie bei der Leserschaft auf ein gemischtes, insgesamt enttäuschendes Echo stößt. Zudem wird die zwischen Frühjahr und Sommer geschriebene Komödie The Vegetable, auf die Fitzgerald große Hoffnungen gesetzt hat, von keiner Bühne angenommen. Erst Ende Mai erscheint wieder eine Erzählung aus seiner Feder: ›Der seltsame Fall des Benjamin Button‹. Collier’s druckt sie für 900 Dollar. Diese im Jahr 2009 durch die Verfilmung von David Fincher mit Brad Pitt in der Titelrolle zu Kinoruhm gelangte Geschichte lebt ganz von ihrem Grundeinfall (der allerdings Mark Twain zu verdanken ist): Benjamin Button wird als Greis geboren und lebt sein Leben konsequent rückwärts, bis er schließlich als Säugling wieder aus der Welt verschwindet. Bei seiner (damals unüblichen) Spitalgeburt misst er einen Meter siebzig, hat einen langen weißen Bart und altersschwache Glieder. Arzt und Krankenschwestern sind entsetzt. Von der unglücklichen Mutter erfahren wir kein Wort. Der Vater versucht die Schande zu ertragen und nach Kräften zu verbergen. Er nimmt seinen missratenen Sohn, der schon reden, lesen und rauchen kann, nach Hause, kauft ihm einen Anzug und schneidet ihm den Bart ab. Allmählich werden Benjamins Züge straffer. Er tritt in die Firma seines Vaters ein und führt sie zu ungeahntem Erfolg. Als er fünfzig ist, verliebt er sich in die blutjunge Generalstochter Hildegarde – und sie sich in ihn. Gegen den Protest ihrer Familie heiraten die beiden. Sie sind ein glückliches Paar, solange sie sich altersmäßig aufeinander zubewegen. Kinder stellen sich ein. Doch sie welkt zusehends, während er immer jünger wird und das Interesse an ihr verliert. Nach und nach verkehren sich die Verhältnisse. Benjamins Sohn wird erwachsen und findet, sein Vater übertreibe es mit der Jugendlichkeit. Dieser kämpft derweil mit ungeahnten Schwierigkeiten: Auf Triumphe an der Universität, besonders im Sport, folgen Probleme, weil er für Examen an der Hochschule und im Militär einfach zu jung ist. Erneut wird er für die Familie zur Peinlichkeit, während er zum Teenager, Schüler, Kindergärtner, Säugling regrediert.
    Fitzgerald beschreibt diesen Prozess trocken, lakonisch, mit verstecktem Humor und ohne irgendetwas zu erklären. In der Tradition von Voltaires philosophischen Erzählungen stellt er ein Gedankenexperiment

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