Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
raining cats and dogs«, war nur ein Beispiel von vielen. Ich stellte mir vor, was wäre, wenn schwarz-weiße Doggen und riesige Berner Sennenhunde mit Schnapsfässchen um den Hals vom Himmel fallen würden, solche, die in den Schweizer Alpen zur Rettung Verunglückter eingesetzt werden – sie würden uns zerquetschen!
Leider hatten wir erst in der zweiten Stunde Mathe. Die Aufgaben waren für mich unlösbar und abschreiben war nicht möglich. Als sich Nell und Ben gleich nach der Stunde erkundigten, winkte ich nur ab.
»So schlimm?«, fragte Nell mitfühlend.
Ben schüttelte den Kopf. »Holly, Holly! Warum hast du nicht mit Matteo gelernt? Er ist unser bester Mathematiker und hätte dir garantiert geholfen, wo er doch auch dein Nachbar ist.«
Ich schnaubte durch die Nase. »Wo hätten wir lernen sollen? Zu mir darf er nicht und ich hätte das Pitti-Haus niemals betreten.«
»Wegen eurer blöden Familienfehde? Die ist doch Schnee von gestern. Heute seid ihr Hand in Hand zur Schule gegangen, und Nell sagte …«
Ich sah, wie Nell ihm einen Fußtritt versetzte. Es war ein sehr kräftiger Fußtritt, Ben verzog das Gesicht, hielt aber den Mund.
»Was wolltest du sagen?«, erkundigte ich mich.
» N … nichts. Es … es ist ein Geheimnis.«
»Vor Weihnachten hat doch jeder Geheimnisse«, sagte Nell und lachte. »Ich hab sogar ein Geheimnis vor Ben!«
Es war kalt, ich ärgerte mich sehr über die verpatzte Klassenarbeit, aber trotzdem zog ich vor der großen Pause den Pulli aus und ging im ausgeschnittenen T-Shirt auf den Flur. Thea folgte mir. Ich steuerte direkt auf Matteo und Irene zu. »Danke, dass du mich heute Morgen vorm Fallen bewahrt hast, Matteo.«
»Keine Ursache. War doch normal.«
»Trotzdem danke!« Ich wartete, legte die Hand an den Ausschnitt und spielte mit der Kette. Irene kniff die Augen zusammen. »Was willst du von Matteo?«
Da hatte er kapiert! »Super Kette! So was Krasses kannst auch nur du tragen, Holly«, sagte er.
Wenn Augen Feuer spucken könnten, hätte Irene mich vernichtet. Ohne ihn mit einem Marsriegel zu locken, zog sie ihn einfach weiter.
Ich lächelte, bis ich Theas Stimme hörte. »Mensch, Holly, du hast sie wirklich nicht mehr alle. Wie kannst du dich Matteo so an den Hals werfen?«
»Tu ich das?«, fragte ich unschuldig.
»Und ob!«
»Ich kümmere mich nur darum, dass aus unserer Familienfehde Schnee von gestern wird.«
»Holly, bei Matteo anzufangen, ist der falsche Weg, glaub mir das. Du ahnst ja nicht, wie Irene über dich herzieht!«
»Echt?«
»Ja.« Thea zögerte. »Na ja, eure Feindschaft geht mich ja nichts an …«
»Aber?«
»Ich hab Nell versprochen, den Mund zu halten«, zierte sie sich.
Jetzt war ich aber echt sauer! Ich hasse es, wenn jemand einen Satz beginnt und dann so tut, als dürfe er nichts mehr zum Thema sagen. »Warum gehst nicht du zu den Pittis und bittest sie, das Kriegsbeil zu begraben?«, fauchte ich.
»Das ist wirklich eine tolle Idee!«, rief Thea. »Genau das solltest du tun, Holly!«
»Iiiich?«
»Wer sonst?«
Tja, wer sonst? Biene vielleicht? Die würde sich eher die Zunge abbeißen, als sich mit Matteos Mutter Antonella zu versöhnen. Otto? Otto und Nell konnten nichts für die Feindschaft. Thea hatte recht: Warum nicht ich?
Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Und dann, gerade rechtzeitig vor dem Ende der letzten Stunde, hatte ich die Lösung des Problems gefunden! Ich, Holly, hatte zwar keine einzige Matheaufgabe gelöst, aber ich würde die Familien zusammenführen!
Weil ich nicht mehr viel Geld hatte, wollte ich Nell um ein paar Euro anpumpen. Leider war sie so pleite wie ich, weshalb ich wieder mal zum Bahnhof rannte – die Straßen waren inzwischen so gut wie eisfrei. »Kein Krach mit Nell! Kein Krach mit Biene!«, schrie ich schon von Weitem. »Otto, kannst du mir ein bisschen Geld borgen?«
»Zuerst ’ne Currywurst und dann das Geld oder erst das Geld und dann die Wurst? Wie hättest du es gerne, Holly?«
»Nur Geld und keine Wurst!«
»So eilig?«
»Seeehr eilig. Fünf Euro reichen mir. Heute Abend bekommst du sie von Biene zurück, ja?«
Otto wickelte den blauen 5-Euro-Schein um ein Bounty. »Hier! Damit du nicht verhungerst!«
»Wenigstens ist’s kein Marsriegel!«
»Was hast du gegen Marsriegel?«
Zum zweiten Mal in meinem Leben küsste ich ihn auf die Wange. »Sag ich dir später!«
An der Ecke Buchen-/Lindenstraße hielt ich inne, rückte meine Mütze gerade, zog die neonblaue Steppjacke nach
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