Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
Nichts tat sich. Die Straße war menschenleer, der Garten auch. Der Vollmond stand am wolkenlosen Himmel und tauchte alles in weißes Licht. Es hatte Minusgrade, der Schnee glitzerte, die Bäume und das Hasenstalldach waren mit Reif überzogen.
»Man wird unsere Fußspuren sehen«, sagte Nell plötzlich. »Wir müssen einen Besen mitnehmen, um sie zu verwischen.«
Ich hatte ihr die Lücke in der Hecke gezeigt. »Vor allem dürfen wir nicht einfach rüber- und zurückgehen«, fiel mir ein. »Wir müssen im ganzen Garten der Pittis Spuren legen.«
»Gute Idee«, stimmte Nell zu. »Mir ist langweilig, Holly.«
»Mir auch.« Ich hatte die belegten Brote und die Gummibärchen gegessen und überlegte gerade, ob wir nicht den Fernseher anschalten könnten, als ich zwei dunkle Gestalten die Straße heraufkommen sah. Sie blieben vor unserer Haustür stehen. »Nell! Komm zu mir! Es geht los!«
Die eine Gestalt holte einen kleinen Gegenstand aus der Jackentasche und hielt ihn ans Ohr. Gleich darauf klingelte unser Telefon. »Wir gehen nicht ran!«, wisperte Nell. »Die checken ab, ob jemand da ist!«
Obwohl sie sehen konnten, dass nirgendwo ein Licht brannte, klingelte das Telefon sehr lange. Als es endlich verstummte, tippte die dunkle Gestalt auf den Gegenstand und hielt ihn wieder ans Ohr. »Die prüfen, ob bei Pittis jemand zu Hause ist.«
»Wenn, dann kann es nur Opa Cosimo sein«, flüsterte ich.
»Ich hab kein Licht gesehen«, sagte Nell leise.
»Ich auch nicht. Er wird im Laden aushelfen.«
»Vielleicht macht er auch einen Besuch.«
»Schon möglich. Nell, die zwei sind verschwunden!«
Die beiden waren weitergegangen. Nell und ich wussten nicht, was tun. »Sollen wir uns anziehen und ihnen folgen?«
»Anziehen ist gut. Du zuerst, Holly. Aber dann warten wir erst mal ab, ja?« Kaum standen wir in Jacken und Stiefeln an Fenster und Terrassentür, flüsterte Nell aufgeregt: »Holly, da sind sie wieder! Sie kommen in unseren Garten!«
Ich flitzte ins Wohnzimmer. »Tatsächlich! Aber was …«
Es dauerte, bis wir erkannten, was sie hinter sich herschleiften. »Pittis Christbaum«, wisperte Nell. »Ich fass es nicht!«
»Sollen wir raus auf die Terrasse?«
»Noch nicht, Holly!«
Mein Herz klopfte wie rasend. Obwohl ich wusste, dass die dunklen Gestalten Pauli und Irene waren, sahen sie im Mondlicht doch so gruslig aus, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken lief.
Nell und ich standen links und rechts der Glastür und beobachteten die beiden in atemloser Spannung. »Der in der Jacke mit den kurzen Ärmeln ist Pauli«, flüsterte Nell.
»Irene war so blöd, die Mütze mit dem Bommel aufzusetzen«, ergänzte ich. »Die ist so abartig, dass ich sie überall wiedererkenne.«
Inzwischen standen die beiden auf unserer Terrasse. Pauli lehnte zuerst Pittis Christbaum an die Wand, dann bückten sich die beiden, hoben unseren Baum an – und schleppten ihn ums Haus herum. Nell und ich rasten in den Flur. Ich öffnete das Fenster, wir lehnten uns hinaus und sahen Pauli und Irene die Straße runtereilen. Mit unserem Christbaum!
»Los, Nell! Den holen wir uns wieder!«
»Sei leise«, sagte Nell noch, dann waren wir auch schon im Freien. Der Baum war schwer, die Äste schleiften auf der schneebedeckten Straße; wahrscheinlich war es das Wisch-wisch, das sie daran hinderte, unsere Schritte zu hören. Ich war schneller als Nell, und als ich ganz nahe hinter Irene stand, riss ich ihr die Bommelmütze vom Kopf und brüllte: »Haltet die Diebe! Hilfe!«
Nell war noch cleverer als ich. Mit einem Satz war sie bei Pauli, zog ihm mit einem tüchtigen Ruck den Schal vom Hals und stopfte ihn in ihre Jackentasche.
»Haltet die Diebe!«, brüllten wir wieder. »Hilfe! Die klauen unseren Baum!«
Die beiden waren so überrumpelt, dass sie ihr Diebesgut fallen ließen und Fersengeld gaben.
Nell und ich sanken uns in die Arme. »Gute Zusammenarbeit«, sagte Nell stolz.
»Wir sind ein perfektes Team«, entgegnete ich. »Gratuliere!«
Weil man unsere Schreie gehört hatte, hatten sich Fenster geöffnet, und ein paar Nachbarn standen sogar in Pantoffeln auf der Straße. »Da wollte jemand unseren Baum klauen«, erklärten wir. »Zufällig waren wir im Wohnzimmer und haben den Diebstahl beobachtet.«
»Warum seid ihr nicht sofort rausgegangen?«, wollte Frau Brun wissen.
»Wir mussten zuerst die Schuhe anziehen«, antwortete Nell. »Los, Holly, bringen wir den Baum zurück.«
»Wisst ihr, wer die Diebe waren?«, fragte Herr
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