Wir Ertrunkenen
die Schiffe waren ausgelastet wie nie.
Nicht aber ihre Dampfschiffe. Sie lagen mit kalten Kesseln still.
Nun wollte sie handeln. Nun wollte sie ihre Chance ergreifen. Aber sie wollte nicht ihre Schiffe aussenden, um sich an Profitorgien zu beteiligen, während die Ertrunkenen im Kielwasser der Schiffe trieben.
Sie ging in ihr Büro und erkundigte sich nach den Schiffspreisen. Es war so, wie sie es erwartet hatte. Wenn die Frachtpreise stiegen, zogen die Schiffspreise nach. Es war an der Zeit zu verkaufen. Zehn Jahre zuvor hatte sie den Witwen die Dampfer abgekauft, als der Frachtmarkt am Boden lag und alle Verluste zu verkraften hatten. Nun konnte sie mit großem Gewinn verkaufen, und sie wusste, was die Männer im Geschäftsleben der Stadt sagen würden.
«Verdammt noch mal!», würde einer von ihnen ausstoßen.
Die anderen würden zustimmend nicken. Widerwillig käme ihre Anerkennung. Nur einen Fluch würden sie an sie verschwenden. Doch den bekam sie als Tribut für ihre Fähigkeiten. Hatten sie doch geglaubt, dass ihr Gehirn in typisch weiblicher Weise aussetzte, wenn es um den Gewinn ging, und dass ihre Schiffe nur stilllagen, weil dies ein Spiegel ihrer mangelnden Entschlusskraft war. Nun würden sie erkennen, dass es sich in Wahrheit um kühle Kalkulation gehandelt hatte.
Andere sahen es möglicherweise anders. Sie könnten der Ansicht sein, dass damit der Stadt die Lebensgrundlage entzogen werde – und sie wären weitaus näher an der Wahrheit.
Nahm sie mehr, als sie gab?
Was würde von Marstal noch übrig sein, wenn sie ihre Dampfer verkaufte? Eine Handvoll Schoner mit Hilfsmotoren, viele von ihnen zu
Galeassen umgerüstet, angewiesen auf Fahrten in der Ostsee, vielleicht hin und wieder einem Abstecher in die Nordsee. Der Kreis hatte sich geschlossen.
Die Stadt würde dort enden, wo sie sich befunden hatte, als all dies vor über hundert Jahren begann.
Das Meer wäre der Verlierer. Seiner unbarmherzigen Majestät würde nicht mehr länger geopfert.
Und der Gewinner?
Es wären die Frauen.
Oder verhielt es sich so, wie Markussen es angedeutet hatte? Würden die Männern bei Reedereien außerhalb der Insel anheuern und eine ständige Adresse am Ende der Welt bekommen?
Hörte es denn nie auf?
IV
DAS ENDE DER WELT
E s war das Ende der Welt.
Er befand sich auf einem anderen Planeten oder in einer unbekannten Zukunft. Wo immer es auch war, es war ein Ort, der seinem Untergang entgegenging.
Knud Erik glaubte, dass er sterben würde, er schloss die Augen.
Dann begriff er. Er befand sich mitten in einem Traum. Aber es war nicht sein eigener.
Er befand sich im Traum eines anderen Mannes.
Er war sieben Jahre alt und saß auf der Ruderbank in Albert Madsens Boot, während sie aus der Hafeneinfahrt von Marstal ruderten. Wieder hatte er den alten Mann von einem grau bemalten Phantomschiff erzählen hören, von großen runden Gebäuden, die unter einem Nachthimmel brannten, der von einem blendenden, phosphorweißen Schimmer erleuchtet wurde, während die Luft unter dem Druck explodierender Bomben und zusammenstürzender Häuser bebte.
Dort befand er sich. Im Traum des alten Mannes.
Er öffnete die Augen und sah, was Albert Madsen zwanzig Jahre zuvor gesehen hatte. Zum ersten Mal verstand er, dass Albert Warnträume gehabt hatte und die Geschichten, die sich für das Kind wie Märchen anhörten, für den alten Mann Schreckensvisionen gewesen waren.
«Die beste Geschichte, die du je erzählt hast», hatte der Junge gesagt. Jetzt war er mittendrin. Er hatte nie den Schluss gehört. Nun wurde die Geschichte gerade zu Ende erzählt, und der Schlusspunkt wäre sein eigener Tod.
Er sah einen Stuka in steilem Sturzflug auf das Schiff zukommen und
die Bombe abwerfen. Die Zeit blieb stehen, während er die fallende Bombe mit den Augen verfolgte. Ihm schoss durch den Kopf, dass sie den grau bemalten Schornstein durchschlagen würde, bevor sie mit ihrem alles zerstörenden Effekt im Maschinenraum detonierte. Die Muskeln seines Körpers spannten sich. Er machte sich bereit für die Umarmung des Todes.
Jetzt!
Mit einem Klatschen verschwand die Bombe im Fluss, wenige Meter vom Bordrand entfernt. Er hatte die Richtung falsch eingeschätzt. Seine Muskeln waren noch immer angespannt. Knud Erik wartete auf die Wassersäule und das plötzliche Krängen des Schiffes, wenn die Stahlplatten unter der Druckwelle barsten und das Wasser hereinzubrechen begann. Aber nichts geschah. Ein Blindgänger.
Er wartete auf
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