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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Fräulein?
    Ich korrigiere Diktate, sagte sie gehorsam, nun selber zum Schulkind geworden. Ach Gott, Herr Giermann, manchmal ist es wirklich zum Verzweifeln, siebenunddreißig Fehler, zweiundvierzig Fehler auf zwei Seiten!
    Was sind denn das so für Fehler? fragte er teilnahmsvoll.
    Wir haben die gleichklingenden Wörter durchgenommen, erklärte sie. Also zum Beispiel Mohr und Moor. Verstehen |332| Sie, den schwarzen Mohr mit oh und das Moor mit oo, aus dem der Torf kommt.
    Aus jedem Moor kommt aber kein Torf, sagte Bauer Giermann bedächtig. Das müssen Sie den Kindern richtig erklären. In manchem Moor ist der Torf zu schlecht, dann lohnt es nicht, da stänkert er nur und verbrennt nicht.
    Er sah sie ernst verweisend unter seinen buschigen Brauen hervor an.
    Aber ich habe ja etwas ganz anderes gemeint, Herr Giermann, fing sie verwirrt und hilflos an.
    Und einen Ring tragen Sie auch nicht, fuhr Giermann in seiner Strafpredigt fort. Da kann man es nicht wissen, ob es nicht doch bloß Unsittlichkeit ist, wenn der junge Mann von der Domäne auch noch so groß tut.
    Er sah sie wieder an. Und unter diesem Blick wurde sie langsam und unwiderstehlich rot und röter.
    Sehen Sie, nun werden Sie auch noch rot, Fräulein, vielleicht ist es überhaupt gar nicht wahr mit der Verlobung?
    Doch, brachte sie mühsam schluckend hervor.
    Denn wenn es nicht wahr ist, dann sagen Sie es lieber gleich. Dann entschuldige ich mich doch nicht.
    Doch, es ist wahr.
    Aber Ringe sind nicht da, sagte der Bauer Giermann unzufrieden.
    Einmal muß man sich doch zuerst verloben, sagte sie ängstlich, und wenn man sich dann verlobt hat, besorgt man sich die Ringe, nicht wahr?
    Nein, nein, sagte er kopfschüttelnd. Das mag bei Ihnen so sein, das sind so Städtersitten. Ich hab schon mit zehn Jahren gewußt, daß ich Ruschs Erna kriege, und Großvaddings und Großmuddings Ring haben immer für uns bereitgelegen.
    Er saß brummig da. Dann stand er auf. Na ja, Fräulein, dann habe ich mich also entschuldigt, und Ihr Bräutigam wird ja nun wohl zufrieden sein. Aber das sage ich Ihnen, wenn er noch mal so ohne weiteres in meine Stube rennt und schnauzt mich an, und meinem Köter hat er auch einen mit |333| dem Stock übergezogen … Nicht, daß es dem Hunde grade zuwider wäre, dem ist es nur gut. Aber wenn einer brüllt, denkt er, er ist gemeint, und bellt dagegen, und der junge Mann von der Domäne hat ganz schauerlich geschrien. Ich habe nicht ein Wort sagen dürfen …
    Sie stand da mit gesenkten Lidern, und er betrachtete sie mißbilligend.
    Na, denn also guten Abend, Fräulein, seien Sie man noch recht fleißig. – Und mit dem Moor, das vergessen Sie nicht, den Kindern zu sagen. Ich frage morgen meinen Martin danach.
    Worauf er wirklich ging. Sie blieb zurück, wieder einmal zwischen Weinen und Lachen. Aber zum wirklichen Weinen und Verzweifeln wurde es erst am Nachmittag des nächsten Tages, als der junge Johannes Gäntschow strahlend in ihr Zimmer trat und stolz fragte: Nun, habe ich das nicht fein gemacht, Fräulein Schütt? Bin ich nicht großartig?!
    Einfach großartig, sagte sie bewundernd.
    War der edle Giermann nicht ganz klein und häßlich? Habe ich diese schäbige Wanze nicht großartig geknickt?
    Einfach großartig, sagte sie hingerissen.
    Und die Idee mit unserer Verlobung, begeisterte er sich immer mehr. Nun soll noch einer über uns reden! Jetzt kann ich Sie besuchen, soviel ich will.
    So? fragte sie. Wenn
ich
nun aber nicht will?
    Er sah sie an, sie sah ihn an. Eine Ahnung überkam ihn. Hallo, sagte er, schon etwas unruhig, stimmt was nicht?
    Wie ist es mit unserer Verlobung? fragte sie, und ihre Stimme zitterte und in ihren Augen brannte ein verräterischer Glanz. Sind wir verlobt, oder sind wir nicht verlobt?!
    Ach so, sagte er, das meinen Sie. Natürlich sind wir verlobt. Sie werden mich doch nicht vor dem ganzen Dorf blamieren.
    Sie
haben mich vor dem ganzen Dorf blamiert, rief sie flammend. Und dann brach sie prompt in Tränen aus. O Gott, was mache ich nur, wenn der Schulrat davon erfährt! Und meine Mutter!
    |334| Er sah auf die Weinende hinunter und sein Gefühl veränderte sich. In dem feinfädigen, dunkelblonden Haar lag ein Schimmer des Lichts, wie Silber. Die hochgezogenen, schluchzenden Schultern in der grünen Bluse sahen so arm und hilfsbedürftig aus.
    Fräulein Schütt, sagte er bittend.
    Und noch einmal stärker: Fräulein Schütt. Ich bin der größte Esel von der Welt.
    Nichts, keine Wirkung. Gesenkter Kopf,

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