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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Hannes, aber er hält die Kehle feucht beim Erzählen –, da hob der Gastwirt Reese, die Chronik der Gegend, also zu berichten an:
    Wenn ich dich so ansehe, Hannes, und bedenke, daß du schon vor vier Jahren hier hättest sitzen können, und was du dann für einen schönen Hof hättest übernehmen können, denn in Schuß war er, als dein Vater starb, das muß der Neid ihm lassen, und wenn ich bedenke, was du jetzt für ein Lotterdings übernimmst und Jahre wirst du zu arbeiten haben, in der Kiste mögen alle Schätze Salomos sein, denn das weißt du ja, ein Hof ist nicht mit Geld in Ordnung gebracht, sondern mit Sinn und Verstand und mit Arbeit, und auch das nur in vielen Jahren …
    Gäntschow nickte und Reese trank.
    Ja, Hannes, du nickst, du weißt das alles, aber warum hast du nicht vor vier Jahren hier schon gesessen? Weil du keine Freundschaft hast auf der Insel und keinen Anhang, trotzdem du hier geboren und aufgezogen bist. Du bist weg von der Insel und hast nichts mehr von uns wissen wollen und hast gedacht, du brauchst uns nie wieder, und wenn du wirklich einmal an uns gedacht hast, dann hast du gedacht: die tummen Fiddichower Pauren. Aber das siehst du nun ja wohl ein: jeder braucht jeden einmal. Und wenn du auch gedacht hast, es ist bloß eine Schwiegermutter, und du kannst sie aus deinem Haus schmeißen, auch die hast du gebraucht …
    Was, zum Teufel, hat meine Schwiegermutter mit Warderhof zu tun? fragte Gäntschow hitzig. Was weißt du von meiner Schwiegermutter, Ernst?
    Das weiß ich von deiner Schwiegermutter, Hannes, daß du wegen ihr und ohne sie nicht hier säßest. Auch heute |397| noch nicht. Denn dem Gemeindevorsteher, der drei Jahre den Kopf über den Hof geschüttelt hat, ist im vierten das Kopfschütteln über geworden. Und er hat deiner Mutter hart zugesetzt, wo du wohnst, und schließlich hat sie herausrücken müssen mit deiner Adresse. Und da war es ein Ort, der wie ein Obstbaum hieß …
    Klein-Kirschbaum, half Elise ein.
    Richtig, junge Frau, ganz, was ich sage, wie ein Obstbaum. Und da hat der Gemeindevorsteher dort hingeschrieben, aber der Brief ist zurückgekommen: unbekannt verzogen. Und wir haben alle gesagt, da ist nichts zu machen, er reist in der Welt umher, wie seine Mutter sagt, als ein großer Herr, und denkt nicht mehr an Fiddichow. Aber es sind kaum zwei Monate vergangen, da hat der Vorsteher wieder gesagt: Er ist ein Sohn vom ollen Gäntschow, und die Gäntschows gehören auf die Insel, und woher die Düllmanns kommen, weiß keiner. Und der alte Mann hat doch seine Reisetasche genommen und hat sich auf die Bahn gesetzt, von seinem Geld, Hannes …
    Kriegt er wieder, sagte Gäntschow.
    Sagst du, Hannes. Aber wie kannst du ihm das wiedergeben, Hannes, er ist doch auch schon achtundsechzig und geht nicht mehr gerne von der Insel. Also er ist hingefahren nach dem Ort wie ein Obstbaum …
    Klein-Kirschbaum, half Elise wieder ein.
    Richtig, junge Frau, wie ich sage. Denn er hat sich gesagt, irgend jemand muß doch dort wissen, wo er abgeblieben ist. Das gibt es doch nicht, daß ein Mensch in seinem ganzen Leben gar keinen Anhang findet. Aber es ist dort mit dir gewesen, Hannes, wie bei uns: du bist da auch weg, und nie hast du zu einem Menschen wieder von dir hören lassen. Aber das haben wir doch wenigstens erfahren, daß du da die Lehrersche geheiratet hast. Und das wird denn ja auch die junge Frau sein, die hier am Tische sitzt, und so wirst du ja wenigstens einen Anhang in deinem Leben gewonnen haben …
    Er sah die beiden erwartungsvoll an, aber sie nickten nicht, sondern sahen ihn nur an.
    |398| Nun, du nickst nicht, und die junge Frau nickt auch nicht, aber es wird schon so sein, wie ich sage. Und ganz allein gedeiht nicht mal ein Tier, und darum du auch nicht. Nun, sie haben da gewußt, daß die Frau aus Grimmen sein soll. Das war wenig, aber Grimmen lag für den Vorsteher auf dem Heimweg, und so hat er sich gesagt: du versuchst es eben noch ein letztes Mal. Grimmen ist ja nun keine große Stadt. Viertausend, wie ich höre …
    Viertausendfünfhundert, sagte Elise.
    Richtig, junge Frau, wie ich sage. Aber wenn ein alter Mann da von Haus zu Haus gehen muß und fragen: wohnt hier jemand, der einen Schwiegersohn namens Gäntschow hat, so ist es eben doch eine große Stadt und nicht leicht für ihn. Und wenn er dann nun gar den oder die gefunden hat, die zu dem Schwiegersohn gehört, und sie begrüßt unsern alten Wilms mit Feuer, Pech und Schwefel und mit aufgestellten

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