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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Lene und auf den Max – und die Lene hat trotz Stich und Schreck noch immer einen sitzen gehabt und hat auch einmal den Mund aufgetan und hat ihn verhöhnt, daß er vor Wut mit den Zähnen geknirscht hat: wie er aussieht, und wie alt er ist, und wie sie nun grade mit dem Max zusammenkommen wird.
    Wenn ich nicht meine Peitsche umgedreht und gedroht |403| hätte, ich ziehe ihnen allen beiden ein paar über, wenn sie jetzt nicht stille sind, so hätten sie sich beide noch das Prügeln gekriegt in meinem eigenen Kaleschwagen, das sage ich dir. Aber wenn ich bedenke, daß dies ihrer beider Todesstund war, dritter September, morgens um viere herum, und es wurde schon ein bißchen hell – ich möchte um alle Güter der Welt nicht so sterben, Hannes, das sage ich dir, nicht so in meinen Sünden.
    Weiter, drängte Johannes, und auch die junge Frau sah atemlos auf den alten Gastwirt. Der aber nahm sein Rotweinglas und schwenkte den Wein langsam im Glas und sah durch ihn hindurch in das Licht und sagte langsam: Ja, weiter, sagst du, Hannes, aber es ist eigentlich kaum noch was zu erzählen. Und was jetzt kommt, das müßtest du eigentlich aus den Zeitungen wissen. Aber natürlich liest du keine Zeitungen, denn es interessiert dich nicht, was die andern tun. Dich interessiert nur, was du tust.
    Er sah wieder in den Wein und trank ihn dann langsam aus. Habe mir im Kriege an den Zeitungen den Magen verdorben, knurrte Gäntschow. Alles Flachköpfe und Lügner. Lügner und Flachköpfe.
    Der Wirt beachtete ihn nicht. Was in der Schmidtschen Büdnerei an diesem Morgen noch geschehen ist, das kann keiner so genau sagen. Aber die Gerichtskommission ist ja da gewesen, und gesehen haben wir ihn auch … Gesehen habe ich ihn auch, Hannes. Und ich möchte mir nur wünschen, daß ich in meiner Todesstunde nicht an ihn denken muß. Ich habe freilich auch an eigene Dinge genug zu denken.
    Er saß ganz in sich zusammengesunken, aber dann gab er sich einen Ruck, setzte sich gerade und erzählte weiter: Ich war eben auf euerm Hof, Hannes, und suchte jemanden wachzukriegen, den ich nach dem Max fragen könnte, und die Hunde tobten wie die Besessenen, daß mir meine alten Gäule bald scheu geworden wären – da wurde es hell! Und die Hunde merkten es auch gleich und winselten und krochen vor Angst auf dem Bauch. Und ich sagte mir: Nach dem Max |404| brauchst du nun nicht mehr zu suchen, da brennt es ja – und fuhr los, ohne Weg und Steg, mitten durch euern Rübenacker. Und wie ich durch den Vorflutgraben gekommen bin mit dem Kaleschwagen und meinen alten Gäulen, das weiß ich heute noch nicht. – So schnell ich aber auch fuhr, es waren schon Leute da. Aber keiner tat einen Handschlag. Sie standen nur da und schauten. Da sah man gleich, es war nichts zu machen, das Haus brannte wie eine Fackel. Du kennst es ja, Hannes, wie es hier die kleinen Leute tun auf der Halbinsel mit dem Holz. Aber der jungen Frau müssen wir es doch wohl erzählen, sonst denkt sie, wir Fiddichower sind so und lassen unsern menschlichen Bruder bei lebendigem Leibe verbrennen, ohne einen Griff zu tun.
    Der Schmidt hatte all sein Winterholz unter das vorspringende Reethdach ums Haus rum aufgebaut. Nur die Fenster waren frei geblieben: so was hält das Haus im Winter warm. Und dein Bruder Max hatte das Holz an allen vier Ecken und Enden angesteckt, und es brannte wie eine Fackel. Und aus dem Haus schrie und heulte und jammerte es, daß es ein Grausen war, anzuhören – und manche, die da zusahen, sind auch halb verrückt von all dem Jammer geworden. Und ich selbst habe die alte Elwers, die doch eine richtige Hexe ist, im Schmidtschen Obstgarten stehen sehen und mit ihrer zittrigen Stimme »Jesu, meine Zuversicht« singen hören. Aber das Schrecklichste war vielleicht, wie es ganz still wurde, und wir hörten nur das Prasseln der Flammen und das Knacken vom Holz. Und ganz plötzlich fing es noch einmal an zu stöhnen, tief und laut an zu stöhnen, und wir haben uns die Ohren zugehalten, und viele haben geweint.
    Hören Sie auf, Herr Reese, bat Elise.
    Richtig, junge Frau, sagte der Gastwirt, das haben wir damals alle gedacht. Aber es blieb uns nichts erspart, sondern die Haustür war zusammengebrannt und fiel zusammen, und wir sahen in die Glut. Nun mußt du wissen, Hannes, daß im Schmidtschen Haus erst so ein kleiner Windfang kommt, und von dem gehen die Türen in die Stuben ab. Wir konnten grade |405| in der Glut die Tür zur Schlafstube sehen und an der Klinke von der

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