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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Frau ist, die ohne viele Fragen tut, was man von ihr verlangt. Erst auf der Landstraße sagt sie luftschnappend: O Gott, Hans, wohin in aller Welt rennen wir mit der alten Kiste?
    Das ist Kapitän Düllmann seine Kiste, sagt Gäntschow feierlich und ist plötzlich ganz wieder der Junge wie vor fünfzehn Jahren.
    Ja, und? fragt sie verständnislos.
    Aber Mensch, Mädchen, wir verziehen uns vom Warder Hof. Wir ziehen um nach Kirchdorf, in den Schwedischen Hof.
    Aber wieso, und unsere Sachen?
    Ach, laß die Sachen sausen. Wir haben ja die Kiste.
    Was ist denn bloß mit der Kiste?
    Das ist mit der Kiste, sagte Johannes Gäntschow feierlich und sah beruhigt die ersten Kirchdorfer Häuser aus dem Nebel tauchen, daß wir höchstwahrscheinlich mit dieser |392| Kiste den ganzen Hof Warder so, wie wir ihn haben möchten, gekriegt haben.
    Er sah sie nachdenklich an, dieses altersdunkel gewordene, schmutzige Biest.
    Da es aber wirklich Kapitän Düllmanns echte Seemannskiste zu sein scheint, so ist es immerhin auch möglich, daß sie bloß ein Windei ist, und dann sind wir geplatzt.
    Er setzte die Kiste ab und kraulte sich nachdenklich den Kopf. Auch Elise war nachdenklich: Was sie sich freilich im Schwedischen Hof denken werden, wenn ich da an einem Novembermorgen in Rock und Bluse und ohne Hut angerückt komme, das möchte ich wohl mal wissen.
    Ach Schiet, Rock und Bluse, rief er übermütig. Wenn wir die richtige Kiste gefaßt haben, so werden die Bücklinge vor uns schon tief genug werden. Und ob es die richtige Kiste ist, das werden wir, denke ich, heute noch am frühen Morgen erfahren. Los, Mädchen!
    Die beiden, die da wie Diebe aus der Nacht mit einem eisenbeschlagenen Kasten auftauchen, erregen kein schlechtes Aufsehen im Schwedischen Hof, dessen verschlafenes Dienstmädchen die Augen immer weiter aufreißt, als sie nun gar noch ein zweibettiges Zimmer und ein kräftiges Frühstück dazu fordern. Ordnungsgemäß verlangt man ein Frühstück hinter, nicht vor dem Zimmer. Und so kommt Hotelier Reese um seinen besten Morgenschlaf. Früher, als er noch jung war und drei Frauen überlebte, konnte Hotelier Reese manchmal scheel und schwarz und gallenböse aussehen. Jetzt, da er endgültig Witwer und alt geworden ist, erscheint er ehrwürdig, ein wahrer Patriarch, mit weißem, gescheitelten Haar, einem klaren Gesicht und einer schönen silbernen Bartkrause um dieses Gesicht. Ehrwürdig, aber ungnädig, denn daß das nur hergelaufenes Zigeunerpack sein kann, das am Morgen um viertel acht ein Zimmer haben will, mit einer Kiste und Frühstück dazu, das ist ihm klar.
    Als er aber hinter dem Ecktisch der Gaststube dieses echte Fiddichower Gesicht sitzen sieht, da wird ihm doch anders, |393| und aufs Geratewohl sagt er: O Mensch, o Manningmensch, dich sollte ich doch kennen!
    Johannes Gäntschow, sagt Gäntschow und nimmt die ausgestreckte Hand. Vom Warderhof.
    Oh – Haua – Haua – ha! wundert sich der Wirt, schüttelt die Hand kräftig und sitzt schon mit am Tisch. Denn hier gibt es was zu erfahren, für manchen Klöhnschnack ausdauernd: Und hohe Zeit war es, daß du kamst, Hannes.
    Das habe ich auch gesehen, sagt Gäntschow. Komm, trink Kaffee mit, Reese.
    Du wirst doch Ernst zu mir sagen, verlangt Reese, und mit diesem Verlangen ist Gäntschow eigentlich schon als rechtmäßiger Herr auf dem Warderhof eingesetzt. Denn wenn der Reese auch ein Schurke ist, der in längst vergangenen Zeiten dem Vater Gäntschow manche Flasche Richtenberger angekreidet hat, die er nie getrunken, er ist eben doch ein schlauer Schurke. Und wie er genau beurteilen konnte, wie weit seine Gäste noch zählen konnten, und was ihre Zählkraft überstieg, so bewies er auch jetzt seine Schlauheit damit, daß er vorsichtig den Fuß auf die olle, häßliche Kiste setzte, vorsichtig, als sei sie aus Edelgestein gemacht, und sprach: Und so hast du denn gleich dem alten Kapitän Düllmann seinen Kasten an dich genommen, Hannes. Und für zwölf Stunden ist das ein tüchtiges Stück. Denn mit dem Fünfuhrzug seid ihr gekommen, das habe ich schon gehört. Und wie ich die Alte kenne, ist ihr jetzt schon zum Sterben zumute. Und wenn sie nur wüßte, wo du zu finden wärst, so hätten wir sie schon hier. Und du wärest unbestreitbar Herr auf Warder und sie so … Und er wickelte einen imaginären langen Wurm um den Finger.
    Also du meinst, Ernst, in der Kiste ist dieses Mal wirklich was? fragte Gäntschow, schlug sein Ei an und betrachtete es nachdenklich.
    Hannes,

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