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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Krallen und sagt, sie will von keinem Schwiegersohn was wissen, und er kann leben oder sterben, wo er mag, nur nicht bei ihr, so ist das für einen alten Mann wie den Wilms wieder nicht leicht.
    Aber schließlich ist er nicht umsonst ein alter Mann geworden und hat mehr zornige alte Weiber in seiner Gemeinde begöschen müssen, als unsereiner in seinem ganzen Leben zu sehen kriegt – und so hat er schließlich denn auch aus deiner Schwiegermutter die Adresse herausbekommen. Aber es war doch wie überall mit dir, Hannes, und der alte Wilms hat auch den Kopf darüber geschüttelt. Du denkst immer, du schaffst es alleine, aber ohne deine Schwiegermutter säßest du nicht hier …
    An der Schwiegermutter bin ich schuld, sagte die junge Frau bedrückt, ich meine an Mutter.
    Es ist, wie ich sage, fing Reese wieder an. Ihr beide gehört jetzt zusammen und habt einen Anhalt. Und darum habt ihr auch dieselben Fehler. Noch einmal ins Hinterpommersche zurückfahren, das wollte der Gemeindevorsteher nun doch nicht, und so hat er dir einen Brief geschrieben, und die |399| rechte Art Brief muß es gewesen sein, sonst säßest du nicht hier.
    Hol dir noch eine Flasche Rotwein, Ernst, sagte Johannes, und dann erzähl mir, wie der Max gestorben ist. Denn der ist ja wohl vor dem Vater gestorben. Aber erzähl rascher, Ernst.
    Es hat alles seine Zeit, sagte Reese und langte sich aus seinem Schapp eine Buddel. Als junger Mann habe ich auch gedacht, es muß alles rasch getan sein. Aber dann, wie ich älter geworden bin, habe ich gesehen, wenn ich Weihnachten gefeiert habe, haben die Langsamen auch Weihnachten gefeiert, und ich bin ihnen mit all meiner Raschheit keinen Tag zuvorgekommen. Du wirst es doch nicht tun, wie ich es dir sage, Hannes. Aber du mußt es jetzt schon anhören, wie ich es dir erzähle.
    Und er fing an, die Geschichte vom Max zu erzählen, diesem liebesverblendeten, armen Kerl, der nicht von der Lene Stavenhagen lassen konnte, trotzdem sie längst eine büdnerische Schmidt geworden war. Und nicht von seinen Kindern, die gar nicht einmal seine Kinder waren. Und er war mit Vater und aller Freude, mit Hof und aller Arbeit und aller Welt zerfallen und ein rechtes Gespött, wie er da immer um die Büdnerei herumstrich, und wenn der Schmidt fort war, in sie einging. Und die Lene hatte ja wohl auch ein Erbarmen mit ihrem alten Liebhaber gehabt, und so hatte sie der kleine Schmidt zwei- oder dreimal erwischt. Ach, was für eine grausame Sache! – Der Max Gäntschow war ein großer, strammer, junger Kerl, und der Büdner Schmidt ein kleiner, ein bißchen fetter, ältlicher, glatzköpfiger Mann. Aber der kleine Alte hatte den großen Jungen nach Strich und Faden verdroschen. Und der große Junge hatte nicht eine Hand zu heben gewagt, so sehr hatte ihn seine Liebe untergekriegt.
    Und manche erzählen ja auch, Hannes, aber das weiß man nicht, denn alle sind tot, die das wissen, daß der Max deinem Vater fünfhundert Mark nach einem Viehverkauf aus dem Schreibtisch geklaut hat. Und ist damit zum Büdner Schmidt gelaufen und hat sie ihm geboten und hat gefleht und gejammert, |400| er solle ihn dafür nur einmal eine Woche mit seiner Frau zusammenlassen. Nun, der Schweinehund, der Schmidt, hat das Geld genommen, und dann hat er den Max wieder aus dem Haus geprügelt. Aber er soll des Geldes doch nicht froh geworden sein, denn dein Vater ist gekommen und hat es sich wiederverlangt. Und wenn dein Vater etwas wollte, das weißt du ja, Hannes, dann kriegte er es. Er saß zehn Stunden da und von Überredung nichts, nein, kein Wort, aber er kriegte es.
    Das wird erlogen sein, sagte Johannes etwas mühsam.
    Man weiß es nicht, man weiß es nicht. Möglich ist es schon, Hannes. Denn was nachher geschehen ist, ist noch viel grauslicher. Jedenfalls hat schon da dein Vater nie mehr ein Wort mit dem Max gesprochen, und die Pferde hat er ihm auch weggenommen. Dann kam der zweite September, Sedantag. Und wenn wir auch eine Revolution gehabt haben, das weißt du doch, Hannes, daß der Kriegerverein sich seine Sedanfeier nicht nehmen läßt. Und am Abend habe ich Tanz gehabt, und der Saal saß gesteckt voll. Und an einem Tisch hat der Schmidt mit der Lene gesessen und am andern der Max und hat sich die Augen nach den beiden aus dem Kopf gestarrt. Und es ist später und später geworden, bis es richtig früh geworden war. Und alle ordentlichen Leute sind längst nach Hause gegangen, und was noch im Saal war, sind alles junge Menschen gewesen. Duhn

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