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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sagte der Gastwirt vorwurfsvoll, aber Hannes, du, ein kluger, weltbereister Mann, du sollst ja damals, als dein Vater dich zurückgeholt hat, bis zur Türkei gekommen |394| sein! In dieser Kiste, sagte er und beklopfte sie zärtlich mit dem Fuß, ist mehr als du und ich in diesem Leben vertrinken können. Und das will schon was heißen. Bei mir nämlich!
    Gäntschow fand, bei ihm wollte es recht wenig heißen. Aber er sah aufmerksam und ohne ein Wort in das Gesicht des alten Schurken, der so fortfuhr: Und wenn die Leute schwatzen von den Knechten und das Geld versaubeuteln, Hannes, glaub doch so was nicht. Ich und der Reese, wir wissen doch Bescheid! Wir wissen doch, wie es ist, wenn die Knechte von Warder kommen und betteln: Zehn Juno, Herr Reese, und einen kleinen Schnaps! Schreiben Sie’s an, Herr Reese, Sie wissen, wir erben mal den großen Kasten – und das erwarte ich ja von dir, Hannes, sagte Reese und legte seine fette, weiße Hand mit Nachdruck auf Gäntschows Hand, daß du, der du nun hier mit dem Kasten sitzt, dich auch großzügig zeigst und die paar Schulden von den Lümmels bei mir bezahlst. Denn Lümmels sind es ja man bloß, und Schaden kann ich doch nicht durch die Sache erleiden, weil du nun hier viel zu spät ankommst.
    Warum hat mir denn nie einer früher geschrieben, als bis vor drei Wochen? fragte Gäntschow und wich einer Antwort aus.
    Warum sollte dir denn noch einer schreiben? fragte Reese vorwurfsvoll, wo du deiner Mutter immer geschrieben hast, du bist ein großer Herr über zehntausend Morgen Land geworden und willst nicht mehr Mistbauer sein, und sie soll mit dem Hof machen, was sie will.
    Habe ich das geschrieben? fragte Gäntschow etwas hitziger. Und wer hat denn solchen Brief gelesen?
    Aber deine Mutter doch, Hannes, sagte Reese langsam und kniff die Augen ein. Und die alte Frau hat immer schön was gejammert, daß sie, die elf Kinder geboren hat und aus einem feinen Kapitänshause ist, nun auf ihre alten Tage von ihrem letzten Kind noch im Stich gelassen wird und den Hof allein bewirtschaften muß. Die ganze Insel hat sich schön die Mäuler über dich zerrissen, Hannes, daß du einer alten Frau so was antun kannst.
    |395| Er saß da, die Augen eingekniffen, und sah sein Gegenüber prüfend an.
    Und so ist denn alles nicht wahr, Hannes? fragte er sanft und machte die Augen weit auf. Und du hast von gar nichts was gewußt?
    Ich habe vor zwei Wochen und zwei Tagen, sagte Gäntschow und fing an, hin und her zu laufen, zum erstenmal gehört, daß mein Vater und der Max tot sind. – Er bleibt stehen und sieht den Gastwirt fast atemlos an. Das ist ja wohl eine dolle Geschichte, Meister Reese!
    Ich sage es ja und ich sage es ja, sagt der alte Reese und nickt mit dem Kopf, so hat der Gemeindevorsteher doch recht behalten, der immer gesagt hat: es stimmt was nicht, es stimmt was nicht. Was ein Gäntschow ist, der geht auf seinen Hof, wohin er gehört. Und wenn er zehnmal auf den Hohen Schulen gewesen und ein großer Herr geworden ist.
    Und wie hat der Gemeindevorsteher meine Adresse gefunden? fragt Hannes.
    Ja, das war ein schweres Stück Arbeit für den alten Mann, und viele Male hat er hier in der Gaststube gesessen und simuliert, wie er dich finden könnte. Der Hof hat ja jeden erbarmt, denn die Gäntschows sitzen auf der Insel, seit die Insel steht, und selbst mich hat der Hof erbarmt. Wenn mein Großvater auch nur Kutscher beim Grafen Fidde gewesen ist. – Ich bin auch von der Insel, Hannes.
    Ich habe dich gefragt, Ernst, wie der Vorsteher meine Adresse gefunden hat.
    Langsam, immer langsam, Hannes, sagt der alte Reese. Du hast vier Jahre Zeit gehabt, wirst du doch jetzt vier Stunden Zeit haben. – Und nun rufen wir erst einmal das Mädchen und sorgen dafür, daß sie es nicht breittritt in der Gegend, daß du hier sitzt mit deiner Frau. Und dann gehen wir alle in mein Privatzimmer. Und wenn deine Mutter kommt, weiß keiner von was, und sie kann erst einmal wieder abziehen. Und ich erzähl dir alles, was inzwischen geschehen ist. Und dann rufen wir den Gemeindevorsteher und den Amtsvorsteher, denn es |396| muß alles seine gesetzliche Ordnung haben. Und die Behörde macht die Kiste auf. Und ich müßte ja wohl nicht der Gastwirt Reese sein, wenn wir darin nicht alles fänden, was wir brauchten. Nicht nur das Geld, sondern auch die Schriften.
    So taten sie denn. Und als sie schließlich im Privatzimmer vom Gastwirt Reese saßen und eine Flasche Rotwein mit ihnen – nur sechs Mark,

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