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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und betrunken. Und der Max darunter, und der Schmidt auch mit seiner Lene.
    Und die beiden sind auch betrunken gewesen. Und ich hab zum Kellner immer wieder gesagt: schenk dem Max langsam ein und gieß Wasser in seinen Schnaps und laß über dem Bier die Hälfte Schaum stehen. Es war mir nicht um den Verdienst, aber ich wollte den Krakeel nicht im Saal haben. Denn das habe ich doch gesehen, daß der Schmidt es darauf angelegt hatte, den Max Gäntschow zu reizen. Er wollte es wohl an diesem Abend zu Ende bringen mit ihm. Ach, ich mit meinem Wasser in den Schnaps. Den Max hat ein ganz anderer Schnaps betrunken gemacht! Es war ja ein Jammer, zu sehen, wie er da immer rübergeglotzt hat, und je betrunkener der |401| Schmidt geworden ist, um so frecher ist er auch geworden und hat seine Frau abgeküßt vor aller Augen, daß es eine Schande war. Und dabei hat er den Max noch immer herausfordernd angeguckt. Ich bin zwei- oder dreimal bei ihm gewesen und habe ihn vermahnt, aber er hat mich nur verhöhnt: ob er seine Frau nicht küssen darf? Der Pastor hat’s doch erlaubt. Ob ich strenger bin als der Pastor? Und dann hat er angefangen, seine Frau anzufassen, wie es kein anständiger Mensch vor den Leuten tut, und plötzlich hat der Max an seinem Tisch gestanden und hat gesagt: Nimm die Hand fort!
    Er hat es ganz leise und ruhig gesagt, man hätte nicht gedacht, daß er so seine zwanzig Schnäpse intus hatte, die wäßrigen nicht gerechnet. Aber der Schmidt hat ihn nur frech angeglotzt und hat mit der Hand weiter die Brust von seiner Frau festgehalten. Da hat der Max nochmal verlangt: Du sollst dort deine Hand wegnehmen. Und als der nur weiter gelacht hat, hat er zugestochen. Er hat die ganze Zeit sein offenes Taschenmesser in der Hand gehalten. Aber der Schmidt, der Feigling, hat seine Hand doch blitzschnell weggezogen, und da hat Max nur seine eigene Lene in die Brust gestochen, daß sofort das Blut kam.
    Wie er das sah, ist er schneeweiß geworden, ist vor ihr hingefallen und hat geschrien, daß es einem durch Mark und Bein ging: Oh, meine Lene. Habe ich dir weh getan, meine süße, süße Lene. Und das Schwein, der Schmidt, hat ihn immer auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen, wie er da so gekniet und geschrien hat, und das Blut ist ihm über das Gesicht gelaufen, aber es ist gewesen, als wenn er nichts fühlte. Aber wie die jungen Leute, die ja alle betrunken waren, das Blut gesehen haben, haben sie geschrien: Es ist eine Feigheit, eine Frau mit dem Messer zu stechen, und sie sind alle mit darüber her. Und alle an den Max heran, weil er doch solch ein Schlappschwanz ist, der nicht widerschlägt, und haben auf ihn eingeschlagen. Es ist nichts mehr von ihm zu sehen gewesen, bis er schließlich ganz ohne Leben im Bogen aus dem Saal in den dunklen Hof geflogen ist …
    |402| Und wo waren Sie, Reese? fragte Gäntschow trübe.
    Ja, das fragst du, Hannes, und redest mich »Sie« an, Hannes, weil du zornig auf mich bist und denkst, ich alter Mann muß heraushauen, wo zwanzig zuhauen. Aber ich frag dich auch was? Wo war denn dein Vater, der der Nächste dazu war? Und wo waren seine Freunde? Keine gehabt, natürlich, ganz wie du. Keine gehabt.
    Der alte Reese sieht unter seinen weißen, buschigen Brauen den Johannes funkelnd an, aber dann sagt er ruhiger: Und ich sage es frank und frei. Ich bin Gastwirt, und bei einer Schlägerei muß ich erst einmal sehen, daß ich meine Gläser in Sicherheit bringe. Und dann war ja auch die junge Frau mit dem Stich in der Brust. Die haben der Kellner und ich selbst aus dem Getümmel gezogen. Aber wir haben es gleich gesehen, daß es bloß ein Ritz im Fleisch war. Nichts wie ein bißchen Heftpflaster war nötig. Und sowie ich Luft hatte, Hannes, bin ich auf den Hof gelaufen mit meiner Taschenlampe und hab gesucht und gerufen. Aber da war nur ein Blutfleck und kein Max. Habe ich gedacht, er ist also nach Haus gelaufen oder andere haben ihn nach Haus geschafft, und ich selbst, Hannes, hab meinen eigenen Kaleschwagen angespannt, um den Schmidt und die Lene nach Haus zu fahren. Denn der Schmidt hatte im Getümmel auch ganz schöne Hiebe besehen, bloß nur so aus Versehen. Und so was freut einen alten Menschen denn ja auch wieder. Und wie ich wieder zurückfahre von den Schmidts, denke ich, du fährst auf Warder vorbei und fragst nach dem Max.
    Nun, es war keine sehr vergnügliche Morgenfahrt mit den beiden. Denn der Schmidt war mit Gift geladen wie eine Kröte und hat immer losgeschimpft, auf die

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