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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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daß sie jetzt zu Haus sitzt und darauf lauert, daß die Tür zufällt, und daß sie weiß, du bist bei mir, – ach, Hannes, könntest du es nicht übers Herz bringen und sie öfter hierher mitnehmen?
    Was soll sie hier? fragte er böse. Sie würde uns nur immer mit ihren Augen belauern. Und man könnte kein Wort reden, ohne daß sie es verdrehte. Überhaupt, ich spreche nicht mehr mit ihr, und ich will nie, nie wieder mit ihr sprechen.
    Sie hatte ihm nur halb zugehört. Und nun nickte sie und sagte: Ja, es wird wohl so sein. Es würde nur noch mehr Qual für sie sein. Und, sagte sie plötzlich, und alle Wärme ihres Herzens trat ihr in die Augen, sie legte ihm die Hände fest auf |449| die Schultern, und sie lächelte, wie sie vielleicht als ganz kleines Kind gelächelt hatte, wenn sie sich ein bißchen schämte. Und, Hannes, wir haben doch ein ganz gutes Gewissen? Wir lieben uns doch wirklich nicht, Hannes, nicht wahr?
    Er erzitterte. In einem, diesem Moment wußte er, was er dunkel gefühlt, warum er all diese Wochen so glücklich gewesen war. In einem, diesem Moment berankten sich alle alten Stätten der Kindheit mit Rosen über Rosen, und es waren nicht die kleinen, leicht zerblätternden Buschwindröschen, eine andere, größere, süßer duftende Sorte war es.
    Unsinn, Christiane, sagte er und lachte etwas, was haben wir beide mit der Liebe zu tun. Wir sind doch so gute Freunde …
    Einen Augenblick sah sie ihn noch so an, ihre Hände auf seiner Schulter. Einen Augenblick erfüllte ihn zitternde Angst, sie könnte sein Geheimnis erraten und könnte ihn fortschicken für immer und je.
    Aber das kam und ging, und sie nahm die Hände fort und sagte: Siehst du, Johannes, und darum ist es ja auch so ein Jammer, daß sie sich ganz umsonst nun auch noch damit quält. Und nun magst du sagen, was du willst, denn ich wenigstens habe gottlob noch meinen eigenen Willen: Morgen nachmittag wirst du einmal nicht zu Haus sein, und ich werde allein zu deiner Frau fahren und werde sehen, was ich tun kann, ihr wenigstens diese Last leichter zu machen.
    Sie seufzte. Es wird ja wohl auch nichts helfen. Und nun laß ich dir dein Pferd bringen, Hannes, denn erstens ist es tief in der Nacht, und ich bin todmüde, und dann macht es für sie schon etwas aus, ob die Tür eine halbe Stunde früher oder später klappt. Daran wollen wir doch von nun an ab und zu einmal denken.
    Tu, was du willst, Tia, sagte er. Es wird ihr ja doch nichts helfen.
    Und damit ging er.
    Aber wenn Christiane gedacht hatte, daß er nun nach Haus reiten würde, so war das nicht so. Sondern er ritt die |450| ganze Sommernacht im Lande umher, trotzdem nicht Mond noch Sterne am Himmel standen, ritt umher, wie der Harras gehen wollte. Und nun war ihm nicht mehr zwischen Leben und Tod, Weinen und Lachen, Tod und Traum.
    Sondern nun wußte er, daß er lebte in einem Strahlen, wie er es nie für möglich gehalten. Seine Brust weitete sich unter einem weiten, erlösenden Lachen, und schöner als alle alten Träume war sein wacher Tag. Es würde sein Geheimnis bleiben, heute, morgen und alle Zeiten. Nie würde ein Mensch davon erfahren. Nicht einmal sie sollte es auch nur ahnen – aber hatte er je sein ganzes Leben geglaubt, daß er so lieben könnte, daß er so glücklich sein könnte – er, der Johannes Gäntschow von der Maschinenbauschule Stettin. »So sind sie alle, so werden sie alle« – jawohl, du alter Pauker mit deinem Fleischkoloß, du hast schon eine Ahnung von dieser Welt gehabt! Fahre dahin und krepiere, du Erd- und Fleischwanze!
    Aber als er nach Haus kam, war es schon hell, und die Knechte waren schon beim Füttern im Stall, und so ging er gar nicht erst schlafen, sondern wusch sich nur kalt ab und war strahlend frisch.
    Da er aber der Mann war, der er war, so kam er nicht einmal auf die Idee, sich seines guten Leumundes halber wenigstens einmal in seinem Bette umzudrehen, daß es ein wenig benutzt aussah. Olga stellte natürlich sofort fest, daß Herr Gäntschow diese Nacht nicht einmal im Hause geschlafen hatte. Und sie erzählte es der Maria, und die Maria erzählte es der Frau Gäntschow – und so war denn alles bestens für den Besuch von Frau Wendland am Nachmittag vorbereitet.
    Aber ach, das hätte Christiane vielleicht noch wegreden können, denn sie war ja schließlich eine Frau und nicht von geringen Gaben. Und es wäre ihr wohl auch schließlich gelungen, dies arme, kleine Elisenherz für ein paar Wochen oder ein paar Tage von seiner

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