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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Eifersucht zu befreien.
    Aber das Schlimme war ja nun, daß Elise in ihrer ersten empörten Verzweiflung über das unbenutzte Bett Olga in die Superintendantur geschickt hatte. Nicht zum alten Superintendenten |451| Marder, sondern zu dem jungen Vikar Oldörp. Denn sie war jetzt fest entschlossen, nun auch alle Rücksicht fahren zu lassen und das Land aufzurühren gegen diese Schmach und Schande, die ihr angetan war.
    Als also Christiane in das Haus kam, traf sie dort nicht Frau Gäntschow allein, sondern bei Frau Gäntschow saß der Vikar Oldörp, der schon alles wußte. Elise aber hatte rotverweinte Augen. Und der Vikar saß steif da wie ein Stock, und Christiane hatte das bestimmte Gefühl, es war gerade eben von ihr geredet worden. Elise aber war stark durch die Anwesenheit des Geistlichen, und sie sagte kühl zu der gnädigen Frau, daß ihr Mann auf dem Felde sei. Sie wüßte freilich nicht wo. Aber wenn die gnädige Frau ein wenig suchen ginge …
    Nun war es ja so mit Christiane, wie es mit fast allen Menschen ist, daß wir wohl wir selbst sein können, wenn uns Liebe oder Freundschaft oder auch Gleichgültigkeit entgegengebracht werden, daß wir aber sofort zu andern werden, wenn wir Haß spüren.
    Christiane hätte zu einer unglücklichen oder verzweifelten oder bösen Elise gut reden können, aber dieser Haß machte sie auch böse. Und der alberne Junge von Vikar saß auch noch so steif in seinem Bratenrock dabei.
    Ja, sie machte noch einen Versuch. Sie sagte lächelnd: Nein, heute wollte sie nur einmal Frau Gäntschow besuchen. Und es habe ihr überhaupt schon lange leid getan, daß Frau Gäntschow sich so ganz von allem ausschlösse, und ob sie nicht einmal …?
    Aber Elise dachte an das leere Bett aus der letzten Nacht und verstand sofort, warum ihre Feindin grade heute kam. Und mit böser, zitternder Stimme sagte sie: Nein. Danke. Aber nein.
    Christiane sah fast hilflos erst auf die junge Frau, dann auf den Vikar. Aber der Vikar sah sie auch fast böse an und nickte zwei-, dreimal mit dem Kopf. Da stand Christiane auf, sah die beiden da an, sah sie nur an und ging langsam und ohne ein Wort aus der Tür.
    |452| Oh, dieser unselige, unglücklich verlaufene Versöhnungsversuch.
    Während Christiane langsam nach Haus ging, verstand sie soviel besser den Johannes, und vieles, was sie ihm vorgeworfen hatte, bat sie ihm nun ab. Sie hatte an ein armes, böse und rücksichtslos gequältes Herz geglaubt (denn sie kannte ja die Gäntschows und den Johannes vor allem), und nun hatte sie eine schlechte, bösartige Frau gefunden, bereit zu schlagen und zu verletzen, mit scharfen Zügen, mit einer scharfen, trockenen Stimme. O ja, aus der eigenen erlittenen Demütigung heraus verstand sie vieles sehr viel besser, und wenn sie bisher geneigt gewesen war, trotz aller Freundschaft die meiste Schuld bei ihm zu suchen, so hatte sich das jetzt sehr geändert. Und sie schwor sich den Schwur zu, den auch er getan hatte, daß nie wieder von dieser Frau zwischen ihnen die Rede sein sollte, und daß sie nie wieder an diese Frau denken wollte, und daß es Schluß sein sollte mit all dem Geschwätz, für heute und für immer und ewig.
    Freilich, wenn Christiane die junge Frau Gäntschow gesehen hätte, wie sie an diesem Abend hilflos weinend im Bett lag, mit einer Kognakflasche neben sich, sie wäre wohl ein Grauen über all die Verwüstung und Verzweiflung, die da in einem Menschen angerichtet waren, angekommen. Denn das wußte Elise ja nun, wo der Vikar gegangen war, daß sie heute die letzte Brücke zu ihrem Mann abgebrochen hatte. Und wenn der Alkohol Träume erzeugen kann und in der Wüste des Daseins allen Durstfiebernden einen Wasserquell als Fata Morgana zeigt, er, der schmutzigste aller Verführer, den die Menschen besitzen – so kann er doch zu manchen Stunden auch klarsichtig machen. Und Elise, die da weinend in ihrem Bette lag, wußte zu dieser Stunde ganz genau, daß ein über Nacht leergebliebenes Bett noch gar kein Beweis ist.
    Sie sah die Frau vor sich, die heute nachmittag bei ihr gewesen war, und in dieser Stunde wußte sie genau, daß diese Frau sein mochte, was sie wollte, eine feige Lügnerin war sie nicht – und so hatte sie ihre beste und einzige Verbündete aus |453| dem Hause gejagt! Wenn aber Elise in dieser Stunde ihrem Herzen gefolgt wäre, so wäre sie aufgestanden und wäre losgelaufen, bis sie nach Fidde gekommen wäre, und hätte sich hingeworfen vor der andern und gefleht: Hilf mir doch! Denn ich

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