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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wieder die Treppen hinauf. Er erreicht den Flur. Er geht an seinem und ihrem Zimmer vorüber, den Gang weiter hinauf. Zweihundertvierzig, zweihundertdreißig, der Gang macht einen Knick, was für ein endloser Gang, zweihundertzwanzig … So. Zweihundertsechzehn … Er bleibt stehen. Er zittert am ganzen Leibe.
    Eine Zimmertür, gelblich gestrichen und lackiert. Ihm ist es, als hörte er halblautes Reden. Aber er will nicht lauschen, pfui Deubel noch mal!
    Er klopft gegen die Tür.
    Ja? fragt eine Stimme.
    Wendland, sagt er.
    Er hört einen Schritt drinnen im Zimmer. Nun geht die Tür auf und Gäntschow steht vor ihm. Gäntschow zieht die Tür leise ins Schloß und stellt sich davor. Dann sieht er Wendland an. Gäntschow ist noch vollkommen angekleidet, nur das Jackett seines Smokings hat er abgelegt – irgendwie scheint es Wendland beruhigend, als könnte nun doch noch alles gut werden, weil Gäntschow noch angezogen ist.
    Ziemlich lange stehen sich die beiden wortlos gegenüber. Gäntschow verrät nicht das leiseste Zeichen von Ungeduld. Er sieht den andern nur an.
    |488| Nach einer Weile sagt Wendland mühsam: Meine Frau ist bei Ihnen … Er sagt es nicht als Frage, er sagt es nur so … Gäntschow sieht ihn immer noch an.
    Ja, antwortet er dann. Und plötzlich fragt er scharf: Und weiter –?
    Bei dieser Frage senkt Wendland den Kopf. Plötzlich murmelt er etwas. Er murmelt verrückterweise: Sie haben natürlich vollkommen recht …
    Ach, häßlich, ach, sinnlos –!
    Er geht zurück. Wieder sieht er den Gegner an. Er geht rückwärts zurück. Mit einer Hand leitet er sich an der Wand. Er nimmt den Blick nicht von dem andern, geht zurück und zurück. Gäntschow steht vor der Tür des Zimmers zweihundertsechzehn. Er hat sich nicht bewegt. Er nimmt dem andern den Blick nicht ab.
    Nun kommt der rettende Knick des Hotelgangs. Gäntschow verschwindet für Wendland. Sie sehen sich nicht mehr.
    Aus. Schluß.
    Am nächsten Tage reisten Christiane und Gäntschow. Sie fuhren ab. Vorher aber hatte das Ehepaar noch eine Unterhaltung. Wenn man es eine Unterhaltung nennen kann, wenn fast nur das eine von beiden spricht. Aber vielleicht war es grade darum eine Unterhaltung.
    Ja, liebster Stupps, sagte Christiane, nun hat es sich entschieden. Und froh bin ich, daß es sich so entschieden hat. Ohne Hin- und Hergezerre und ohne Belügen und Betrügen. Was freilich hiernach nun wirklich aus mir und Johannes wird, das weiß der liebe Himmel allein. Und aus dir …
    Sie schob die Unterlippe vor und betrachtete ihn nachdenklich. Dann fragte sie ängstlich: Bist du sehr böse?
    Ach, rede doch keinen Blödsinn, Christiane, sagte er. Nur …
    Ich weiß, ich weiß, sagte sie eifrig, ich denke ja gar nicht, daß es nun etwa einfacher ist. Ich weiß ja ganz genau, wie schrecklich schwierig und egoistisch er ist, und ob es gut gehen wird … Sie hielt inne. Dann: Nun, das ist unsere Sache.
    |489| Auch meine, sagte Wendland entschieden. Vergiß nie, Christiane, auch meine.
    Das sieht dir ähnlich, Stupps. Aber so sollte es nun doch nicht sein, daß du auf Fidde sitzt und auf mich wartest (du mußt unbedingt in Fidde bleiben. Denn es gehört dir, nach allem, was du hineingesteckt hast). Es ist ja nun doch so, daß ich ihn liebhabe. Ich habe immer gedacht, dich liebte ich und er wäre mein Freund – Und nun hat es sich doch herausgestellt, daß ich ihn liebe und immer schon geliebt habe, und daß du stets mein bester Freund gewesen bist.
    Er sah sie zusammenzuckend an, als habe er einen Peitschenschlag von ihr bekommen. Aber sie merkte gar nichts davon. So weit fort war sie schon von ihm.
    Nein, ich gehöre nun einmal zu ihm, und dies hätte ich ja nun nie und nimmer getan, wenn ich nicht wüßte, es ist fürs Leben. Denke doch, Stupps, all die langen, langen Jahre, die wir uns schon kennen und liebgehabt haben, ohne es zu wissen – wieviel haben wir versäumt, wieviel haben wir nachzuholen!
    Er stand da wie ein Held. Er sah sie an ohne Zucken.
    Ich bitte dich, beruhige dich, Christiane, mach dir gar keine Gedanken um mich. Ich verstehe alles.
    Natürlich mache ich mir Gedanken um dich. Ich habe heute nacht schon daran gedacht, ob du nun wieder bei dem schrecklichen Reese sitzen wirst, und wer dich dann heimholen wird.
    Nein, Christiane, sagte er, ich werde nicht bei Reese sitzen. Mich braucht niemand heimzuholen. Du sollst ganz sorgenlos sein.
    Aber Heldentum, Bitterkeit und Ironie waren verschwendet an sie. Sie war so weit fort in ihrem

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