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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Glück. Sie war so eigensüchtig geworden in ihrem Glück.
    Und ich denke doch auch, Stupps, du wirst uns keine Schwierigkeiten machen, wenn wir dich um die Scheidung bitten. Es sind ja keine Kinder da, es kann ja also keine Schwierigkeiten geben. Nein, sagte Wendland, und nun war |490| er nahe am Ende seiner Kraft, Kinder sind nicht da. Aber da ist die eine Schwierigkeit, daß ich jetzt in keine Scheidung einwilligen werde.
    Sie fährt hoch. Sie sieht ihn an. Sie ruft ganz erstaunt: Oh, Stupps!
    Ich habe mir das heute nacht so überlegt, Christiane. Sagen wir in einem Jahr. Wenn du mich nach einem Jahr um die Scheidung bitten wirst, will ich einverstanden sein. – Und jetzt, Christiane, möchte ich ein wenig an die Luft. Ich habe etwas Kopfschmerzen.
    Er steht zögernd vor ihr. Bitte, Christiane, sagt er etwas hilflos, laß es dir gutgehen.
    Oh, mein Junge, mein lieber, lieber Junge, weint sie plötzlich und wirft ihm die Arme um den Hals. Es ist doch schrecklich schwer. Wenn du jetzt aus dem Zimmer gehst, ich weiß nicht, ob der beste Teil meines Lebens nicht mit dir geht. Mit ihm – ach, es ist alles so ungewiß.
    Sie sieht unbestimmt vor sich hin, als suchte sie eine neblige Weite zu durchschauen. Dann faßt sie sich wieder. Sie bietet ihm die Hand und sieht ihn voll an. Ich danke dir auch, Stupps, und – mach es gut.
    Er lächelt ein wenig dünn. Keine Sorge, Christiane, keine Sorge.
    Er sieht sich noch einmal in dem Zimmer um, nickt langsam, zieht umständlich Mantel und Handschuhe an, nimmt Hut und Stock, nickt noch einmal zu ihr, die bewegungslos am Tische steht, und sagt: Also, ich gehe dann jetzt, Christiane.
    Er geht gegen die Tür.
    Stupps, ruft sie plötzlich ganz hell.
    Er dreht sich mit einem Ruck um und sieht sie voll an. Auf sein Gesicht kommt ein Glänzen …
    Nein, es ist nichts, sagt sie und bleibt schon wieder stehen. Geh nur, Stupps. Gute Besserung für deine Kopfschmerzen.
    Die Tür fällt zu, und sie ist allein.

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    |491| SECHSTER ABSCHNITT
Wir hatten mal ein Kind
    Wenn ein Flieger über diesen Teil des Mecklenburger Landes fliegt, so sieht er Wälder und Seen, Seen und Wälder. Kaum Feld, kaum Wiese, kaum ein Haus. Toteneinsamkeit. Das Ende der Welt …
    In einem solchen Walde, an einem solchen See liegt nun doch ein Haus. Und in dem Garten dieses Hauses sitzt eine Frau, zwischen den Knien eine weiße Emailleschüssel, in der grüne Bohnen liegen. Mit einem Messer entfernt sie die Fäden. Dann zerschnitzelt sie die Bohnen. Es ist eine große ältliche Frau mit weißgrauem Haar, einem vollblütigen, roten Gesicht, das einen ziemlich bösartig gereizten Ausdruck trägt, sehr dick. Sie trägt ein blaues Waschkleid und über dem Waschkleid wieder eine bunte Haushaltsschürze.
    Die Arbeit geht ihr nicht recht vonstatten, denn der Hauptteil ihrer Aufmerksamkeit gehört einem Fenster in ihrem Rücken. Das Fenster steht halb offen, und sie hört Stimmen. Die Stimme einer Frau und die Stimme eines Mannes.
    Streiten, sagt die ältliche Frau, streiten schon wieder.
    Sie runzelt die Stirn und setzt heftiger ihre Schnitzelei fort. Denn drinnen im Haus ist mit einem Krach die Tür zugeschmettert worden. Nun fällt eine zweite Tür zu. Und jemand kommt vom Haus her gegangen. Die Frau schnitzelt ohne hochzusehen. Ihr Gesicht sieht jetzt sehr böse aus. Ein Schatten fällt auf sie und ihre Arbeit. Sie sagt bissig: Meine Türen schließen auch, wenn man sie leise zumacht, Herr Gäntschow.
    Gäntschow bleibt bei ihr stehen und sagt mit grimmiger Entschlossenheit: Keine Angst, Bullenbeißer, das Haus ist gesund.
    |492| Ich habe Ihnen zehnmal gesagt, sagt die Frau rasch, daß Sie mich nicht Bullenbeißer nennen sollen. Ich heiße Haase.
    Sie müssen selbst einsehen, Frau, sagt Gäntschow, daß Haase ein völliger Unsinn ist. – Der Kahn ist da?
    Der Kahn ist nicht da.
    Zum Teufel, sagt Gäntschow wütend, ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen den Kahn nicht wegnehmen, ohne es mir zu sagen.
    Zum Teufel, sagt die Frau, ebenso hitzig, wem gehört der Kahn: Ihnen oder mir?
    Ihrem Mann, sagt Gäntschow, dem bemitleidenswerten Haasen.
    Sie sollen meinen Mann …
    Nicht so nennen, ich weiß schon, Bullenbeißer, ergänzt Gäntschow. Wo ist er hin?
    Ich weiß nicht, sagt die Frau mürrisch.
    Wenn er nämlich, sagt Gäntschow mit erhobener Stimme, wieder angeln gegangen ist, und wenn wir wieder Fische zu Mittag bekommen sollen … Er bricht ab und sagt kurz: Haben Sie Fleisch besorgt, wie ich Ihnen gesagt

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