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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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hingeht durch den Wald, sieht sein Gesicht hell und fast fröhlich aus. Seine Augen glänzen vor Nachdenken und Beschäftigtsein. Jeder Ärger über den Morgenstreit ist längst verflogen. Es sind ja nur Frauen, hat er einmal flüchtig gedacht.
    Aber jetzt ist er schon längst weiter. In der letzten Zeit geschehen seltsame Dinge mit ihm. Er träumt etwas, er bekommt Weisungen im Traum. Und diese Weisungen stimmen. Irgend etwas ist los mit seinem Leben, das ist seltsam, wenn das eine versagt, kommt etwas Neues, Besseres. Nicht, daß etwa Christiane versagt hätte, sie ist unaussprechlich herrlich. Vor allem, seit sie ein Kind erwarten, aber es ist so viel Kleinkrams dabei. Geldgeschichten, dieser lächerliche Bullenbeißer, den sie viel zu wichtig nimmt. Käme es auf ihn an, er hätte der Frau längst die Schweine aus dem Stall verkauft. Sie wird ihr Geld schon eines Tages wiederbekommen. Sie soll sich bloß nicht so haben.
    Jawohl, Christiane ist herrlich, aber sie ist ein bißchen sehr selbständig und voll von Wünschen. Elise hat sich in allen Dingen stets nach ihm gerichtet, und was er tat, war gut. Christiane hat so komische Ansprüche. Er soll sich beispielsweise regelmäßig sein Haar waschen, was er noch nie im Leben getan hat, und er soll nicht nachts um zwei Licht anmachen und im Bett nachdenklich seine Pfeife rauchen. Das Leben ist kompliziert. Er soll durchaus nicht so leben, wie er möchte: sie will sich mit ihm unterhalten, und er hat keine Lust zum Sprechen. Elise ist sofort auf solch eine Stimmung eingegangen. Christiane denkt gar nicht daran.
    Jawohl, Christiane ist ausgezeichnet. Aber es ist so eine komische Art von Glück, aus lauter Splittern. Vielleicht gibt es keine andern Glücksmöglichkeiten als diese. Immer nur auf der mittleren Linie, mit Einschränkungen und Kompromissen. Er fragt sich schon lange, ob nicht all dies Geschwafel |496| von Glück eine sehr überschätzte Angelegenheit ist. Die Menschen haben jahrtausendelang ein derartiges Gefasel von diesen Dingen gemacht. Es ist nicht ganz einfach, hinter diesen Schleier aus Lügen und Redensarten und Augenverblendungen zu gucken – er jedenfalls fühlt sich im Augenblick recht wohl, daß er hier so allein durch den Wald pilgert, hinter einer Sandgrube her, die er im Traum gesehen hat.
    Wenn es überhaupt ein Traum war. Auch Traum ist nur ein Wort für eine ziemlich unverständliche Geschichte. Jawohl, das gibt es alles noch. Er weiß genau, seine Ahnen haben noch an Hexen und Zauberei geglaubt, man konnte Vieh besprechen, und es gab vor nicht langer Zeit noch eine Frau, die sich in eine Krähe verwandeln konnte.
    Mit Christiane war natürlich über so etwas nicht zu reden, mit keinem Menschen war über so etwas zu reden. Und übrigens war all dieser Aberglaube blanker Unsinn, niedrige Form einer tieferen Sache zum mindesten.
    Aber wie war es mit jenem Stein gewesen in dem Gasthausgarten bei München? Er war dreimal oder dreizehnmal über ihn gestolpert. Er kannte diesen Schurken ganz genau. Aber er stolperte immer wieder über ihn. Es war, als läge dieser Bold da, um ihn zu verhöhnen, bis er ihn eines Tages aufnahm. Der hatte ihn genug geärgert. Er wollte ihn über einen Zaun schmettern.
    Es war kein übermäßig großer Stein. Zehn oder zwölf Pfund. Aber er warf ihn dann doch nicht, sondern versteckte ihn zutiefst in seinen Koffer. Es erwies sich nämlich, daß in den Stein etwas eingeritzt war. Links etwas wie eine Sonne, die aber nur nach einer Seite strahlte, nach einem andern Ding, das etwas wie ein langgezogener Kreis war. Und rechts war wieder etwas wie ein Dreieck, dem aber eine Seite fehlte.
    Komische Zeichnung in einem Stein. Vor Jahrtausenden vielleicht eingeschlagen. Nicht mehr sehr deutlich. Er hatte keinen übermäßigen Wert darauf gelegt zuerst, aber er hatte diesen ewigen Stolperstein immerhin nicht weggeworfen. Nun, und drei Wochen nach diesem Fund berichtete ihm |497| Christiane, daß sie ein Kind zu erwarten hätten. In demselben Augenblick war natürlich alles himmelsklar. Die Sonne mit den Strahlen nach der einen Seite, das war er, und das Ovale war das Ei, das Kind, und die beiden Dreieckseiten, das waren die Beine, zwischen denen das Kind hervorkam. Die einfachste Sache von der Welt. Er hatte es Christiane gezeigt, aber sie kapierte es doch nicht! Sie lachte nur.
    Ach was, Hannes, sagte sie. Freust du dich denn gar nicht über das Kind? Du freust dich ja bald mehr über den ollen, dummen Stein mit seinem

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