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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sie über Bord schmeißen. Er ist fest entschlossen, zu schlagen und zu beißen, solange er kann. Und so sieht er sich in der Kajüte nach einer Waffe um. Er ist gerade an einer Schublade zu Gange, die vertrauenerweckend schwer ist, da geht die Tür auf und der Bullenberger kommt wieder rein.
    Er starrt ihm atemlos entgegen. Aber der Mann setzt sich hin an den Tisch, als sei er nicht da. Er starrt wieder das Mädchen an. Den Jungen dagegen hypnotisiert die Schublade. Er starrt die an und überlegt, ob er mit einem Revolver in der Hand die Kajüte gegen die beiden verteidigen kann. Der Mann am Tisch dreht sich um und sagt: Schmeiß den Mantel da über sie.
    Johannes nimmt den schweren Mantel und breitet ihn behutsam über Christiane aus. Sie liegt da, wachsgelb und rot, von Atem ist nichts zu spüren. Eine irrsinnige Angst faßt ihn um sie. Kaptein, sagt er, Kaptein! Kann man denn nichts für sie tun?
    Woher kennst du die denn? fragt der Bullenberger.
    Vom Superintendenten. Ich hab da Schule.
    |172| Ich hab gehört, die vom Hypothekengrafen geht da auch zur Schule.
    Ihm setzt fast das Herz aus.
    Ja, auch. Aber die sieht ganz anders aus.
    Wie sieht die denn aus?
    Blond. Und ganz klein. Und sie hat so komische Hände.
    Was für komische Hände?
    Solche mit Knubben.
    Soso, sagt der Mann. Und dann nach einer Pause: Ich denke, du bist ein Gäntschow?
    Bin ich auch, sagt er trotzig.
    Sieht nicht so aus, sagt der Bullenberger gelassen. Ich hab immer gehört, die Gäntschows lügen nicht. Er steht mit einem Ruck auf.
    Tu ich auch nicht! schreit Johannes ihm nach. Aber die Tür ist schon wieder zugeschrammt, und er ist unsicher, ob der Kapitän ihn noch gehört hat. Es geht ihm wirklich auch schlecht. Er ist abwechselnd heiß und kalt und verliert nicht das Gefühl, als säße in seinen Knochen ein Eis, das nicht tauen will. Hände und Füße, im Kajütendunst warm geworden, stechen mit tausend Messern. Der Magen dreht sich häßlich – aber er hat keine Zeit, krank zu sein. Er würgt eilig an der Schublade, die sich festgeklemmt hat und die so schwer ist. Aber als er sie dann auf hat, liegt nur Eisenzeug darin. Er stößt sie wütend wieder zu und sieht sich prüfend in der Kajüte um.
    Bist du das, Hannes? fragt ihre Stimme. Warum ist es hier so dunkel?
    O Gott, bist du wach? Ach, Tia, ich hatte ja solche Angst um dich. Aber du darfst unter keinen Umständen sagen, daß du Christiane heißt, sondern bist Elli, nein, Emmi.
    Was hast du denn da in der Hand? fragt sie mit einer ganz hellen, verschlafenen Stimme. Und er sieht seine Hand erstaunt an und merkt, daß er in ihr einen schweren eisernen Schraubenschlüssel trägt, ohne es zu wissen.
    Aber sie denkt längst an etwas anderes: Ich habe herrlich geträumt. Ich war mit Papa bei Mama zu Besuch, und du |173| warst auch dabei. Aber Mama hat dich gar nicht gemocht. Sie hat immer nur über dich gelacht und hat gefragt: Ist es ein Junge oder ist es ein Tier? Sagt es mir doch.
    Christiane, fleht er sie an, du mußt jetzt gut zuhören. Der Bullenberger hat uns aufgefischt …
    Wer ist der Bullenberger?
    Ach, du weißt doch, der Kerl, der euern Förster totgeschossen hat und der immer nach Finnland schmuggelt …
    Fahren wir denn jetzt nach Finnland?
    Tia, Tia, hör doch zu. Er ist so gemein. Er schmeißt dich ins Wasser, wenn …
    Tut er auch, tut er auch, sagt der Bullenberger, jetzt geht es los!
    Hannes fährt herum. Der Bullenberger sitzt am Tisch wie ein böser Traum und sieht ihn an ohne ein Lächeln.
    Guten Abend, sagt da Christiane mit ihrer ungewohnt hellen Stimme: Sind Sie der Herr, der uns gerettet hat? Ich danke auch schön.
    So, sagte der Bullenberger trocken, und du bist also die Einzige vom Schuldengrafen, der mir fünf Monate Kittchen in Bergen besorgt hat?
    Hannes machte eine warnende Bewegung. Aber keines von den beiden achtete auf ihn.
    Es wird Papa sehr leid tun, wenn er hört, daß Sie wirklich unschuldig sind.
    Frag mal den mit dem Schraubenschlüssel, sagte der Bullenberger und deutete mit seinem Daumen, ohne aber nach Johannes hinzusehen, der denkt auch, ich schmeiße euch wieder ins Wasser – verrückt, wie alle Gäntschows, sagte er verächtlich.
    Sie sind es also nicht gewesen? fragte Christiane. Sie hatte sich auf den Ellenbogen gestützt und sah den Mann am Tisch aufmerksam an.
    Kleines Fräulein, sagte der, der Graf Fidde findet, ich bin ein gemeiner Kerl, weil ich mal ein Reh von ihm schieße und ein Pascher bin. Aber ich …
    |174| Papa, sagte sie

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