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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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vorbeiwutscht, bekommt noch einen freundschaftlichen Klaps hinten drauf, daß sie aufkreischt.
    Jetzt tritt er von der Veranda in den Garten. Es ist noch immer ganz dunkel. Auch im Dorf ist es stockdunkel. Die haben die Beleuchtung nicht angeknipst, weil sie auf den Mond warten. Nun, der Mond wird sie enttäuschen. Mit Sonnenuntergang hat es sich stark bewölkt, und dabei ist es warm. Sicher gibt es noch Regen.
    Er geht raschen, sicheren Schrittes erst die stille Dorfstraße hinunter, dann ein Stück Chaussee, dann biegt er in den Feldweg nach Kienholz ein. Es kann noch so dunkel sein, nach vierzehn Jahren Dienst sommers wie winters, mal auf dem Rad, mal auf Botten, kennt man jeden Fußbreit Wegs.
    |206| Er schreitet rasch aus, er kann gar nicht schnell genug nach Kienholz und an den Fabiansruher Strand kommen. In Kienholz wohnt der Fischer Liebrecht, den er schon lange im Verdacht hat, mit dem Bullenberger in Verbindung zu stehen. Der Mann hat viel zuviel Geld fürs Saufen übrig, und die Frau, die dumme Trine, hat sich jetzt im Sommer einen Pelz gekauft. Einen Persianer, den sie letzten Sonntag sogar zur Kirche angehabt hat. Er verspricht sich nicht viel von diesem nächtlichen Besuch, aber schaden kann es nicht, da einmal anzuklopfen. Dann wird er auf den Fabiansruher Strand gehen, und daß der erfolglos sein könnte, daran mag er überhaupt nicht denken. Der Bullenberger ist wieder auf der Insel. Also wird er ihn heute nacht treffen und mit ihm abrechnen. Morgen früh aber wird alles wieder in Ordnung sein, er wird wieder seine Uniform tragen dürfen und Freunde haben – nur, er wird ein bißchen anders geworden sein und wissen, was man von diesen Freunden zu halten hat.
    Seine fröhliche, aufgeräumte Stimmung während der letzten zehn Minuten auf der Superintendantur ist längst wieder vorüber. Er ist kalt und heiß, von einer hitzigen Wut besessen und wieder voll Träumereien. (Auch Ernstel soll es dann gut haben, ich bin heute abend bloß zu hastig gewesen.) Daß der Bullenberger, der jetzt, da er Familie und Habe weggeschafft hat, eigentlich nichts mehr auf Fiddichow zu suchen hat, doch wieder hier ist, das beweist, daß auch der hier noch etwas abzurechnen hat. Und wenn man einen gestohlenen Karabiner eins rechnet, ein angezündetes Haus zwei, so wird die Nummer drei, die ihn zurückgeholt hat, wohl der Gendarm Wilhelm sein. Das ist ganz tröstlich. Sie suchen sich beide. Also werden sie sich schon treffen. Umsonst ist der nicht öffentlich in Dreege herumgelaufen, und es gibt nur einen Treffpunkt! Vielleicht hat der sogar den Karabiner mitgebracht. Der ist dazu imstande!
    Auch das hat seinen Vorteil: er kann morgen früh gleich melden, daß er seine Dienstwaffe wieder hat. Vor dem Schießen ist ihm nicht angst. Er hat immer das schnellste Auge, die |207| flinkste, sicherste Hand gehabt. Darauf allein kommt es an. Man muß schon knallen, ehe der andere die Hand noch am Abzug hat, das kann er.
    Das Haus des Fischers Liebrecht ist gleich das zweite rechter Hand in Kienholz. Es ist aber gar kein richtiges Haus, nur eine jämmerliche Kate. Würdig der vier andern, zerstreut am Kiefernwald liegenden Katen, die die ganze Siedlung Kienholz ausmachen. Im Hause von Liebrecht brennt noch Licht, das kann man trotz der fest angemachten Läden sehen. Der Gendarm schleicht auf Zehenspitzen heran und sucht durch die Spalten der Läden ins Zimmer zu spähen. Er kann nichts ausmachen wie ein Stück kahle Wand und etwas Ofen. Nun lauscht er. Er hört das eintönige Gemurmel einer Männerstimme. Dann wird es still, und nun wieder das Gemurmel.
    Wilhelm geht rasch an die Tür, schlägt stark dagegen und ruft: Aufmachen, Gendarmerie.
    Sofort geht das Licht aus, das Gemurmel ist erstorben, Totenstille. Fast kommt es ihm unheimlich vor, wie er hier in der dunklen Nacht steht und mit der Faust gegen eine Tür hämmert. Einen Augenblick überlegt er. Dann zuckt er die Achseln und geht weiter. Er hat ja von vornherein gewußt, daß dieser Versuch zwecklos ist.
    Dreihundert Meter hinter Kienholz fängt schon Fabiansruh an. Nach den altersgrauen, schiefen Fischerkaten die sauberen Villen eines neuen Gewerbebetriebes. Aber, trotzdem es doch hier Sommergäste gibt, Berliner, die nie ins Bett finden können, ist es auch hier totenstill. In manchen Villen brennt wohl noch Licht, aber auf der Straße ist niemand. Sie warten wohl für ihren Abendbummel den Mondaufgang ab, wenn sie überhaupt wissen, diese Städter, wann so etwas ist:

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