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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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doch nur, Frieda …
    Ein paar Schläge tönen gegen die Tür, die ins Innere des Hauses führt. Der Superintendent ruft schallend: Herr Wilhelm, kommen Sie sofort einmal raus!
    Wilhelm sieht seine Frau noch einmal lange an. Dann geht er zu der Tür. Der kleine Marder ist rot angelaufen. Mit funkelnden Augen betrachtet er den großen Mann vor sich: Solch Lärm in meinem Haus ist nicht zu dulden! Morgen ziehen Sie aus, ich habe Sie gewarnt!
    Der Gendarm Wilhelm steht mit einem seltsam dummen Lächeln an der Wand. Er betrachtet sich den Superintendenten, er sagt gedankenlos: Zu Befehl, Herr Superintendent.
    Es ist eine Schande, ereifert sich der immer mehr, was kann denn das arme Kind dafür. Hätten Sie früher weniger gesoffen …
    Freilich, freilich, Herr Superintendent, sagt der Gendarm fügsam. Marder schaut verblüfft. Also gut, sagt er abschließend, ich wollte Ihnen das nur gesagt haben. Morgen oder meinethalben auch übermorgen ziehen Sie.
    Zu Befehl, sagt Wilhelm wieder. Er lächelt noch immer und sieht den Superintendenten dämlich an.
    Ist Ihnen was? fragt der unwillkürlich.
    Was meinen Sie? fragt der Gendarm plötzlich, glauben Sie, Herr Superintendent, es bedeutet etwas, wenn eine alte Frau neben einem Kopf ein Kreuz sieht? Er sieht den Superintendenten fragend an, aber ehe der noch antwortet, spricht er |204| schon weiter: Ich hätte eben beinahe dem Ernstel den Schlund abgewürgt. Dann hätte das eine Kreuz gestimmt. Aber das andere hätte dann nicht gestimmt. Oder hätte es doch gestimmt –?
    Er wartet entschieden auf keine Antwort, er spricht mit sich selbst.
    Der Superintendent sagt scharf: Ich habe auch schon von diesem albernen Gerede gehört. Benehmen Sie sich wie ein anständiger Kerl und ein ordentlicher Vater. Dann gibt es keine Kreuze. Er seufzt, er sagt geläufig: Die meisten Kreuze laden wir Menschen uns selbst auf. Er denkt noch einen Augenblick nach, und ihm fällt etwas ein: Übrigens, was ich Ihnen noch sagen wollte, Herr Wilhelm, der Bullenberger soll auf der Insel sein. Man hat ihn heute nachmittag in Dreege gesehen.
    Wirklich? sagt der Gendarm aufgeregt … Stimmt es auch sicher?
    Mir ist es wenigstens gesagt worden, sagt der Superintendent.
    Und ich stehe hier und schwatze, sagt Wilhelm, ich muß schleunigst … Er bricht ab und denkt wieder nach.
    Was müssen Sie schleunigst? fragt der Superintendent. Denken Sie bitte daran, Herr Wilhelm, daß Sie nicht mehr im Dienst sind. Sie haben keine Amtsbefugnisse mehr.
    Das wissen Sie also auch schon? sagt Wilhelm spöttisch. Was Sie alles wissen, Herr Superintendent, man kann sich nur wundern. Nur die Pferde lassen Sie verhungern. Das wissen Sie nicht, daß das auch Quälerei ist. Guten Abend.
    Er läßt ihn stehen und geht in sein Zimmer. Dort brennt das Licht. Frau und Kinder sind dabei, Ernstel zu beruhigen und zu reinigen. Als er eintritt, werden alle totenstill. Nur das klägliche Weinen des Blöden ist noch zu hören. Er achtet gar nicht auf sie. Er geht schnurstracks auf den Schreibsekretär zu und schließt die Schieblade, in der er seine Waffe hat, auf. Dann steht er überlegend davor. Der Dienstrevolver ist für den Zivilanzug, bei dem er nicht umschnallen kann, |205| eigentlich zu schwer. Dann hat er noch einen Trommelrevolver, aber der ist ein Dreckding, hat ewig Ladehemmungen, und schließlich ist da noch die kleine Ortgies, eine hübsche Pistole. Er hat sie vor einer Woche einem Schnösel von Sommergast abgenommen, der im öffentlichen Fabiansruher Park damit Scheibenschießen gemacht hat. Das kleine Dings hat ihm Freude gemacht. Er hat ein paarmal daraus geschossen. Für den kurzen Lauf schießt sie sehr gut. Aber es sind nur noch zwei Patronen im Magazin und die im Lauf ist die dritte. Allemal genug für einen Kerl wie den Bullenberger. Er sieht nach, ob gesichert ist. Diese Pistole hat so eine hübsche Sicherung, die man mit dem Daumenballen eindrückt – er freut sich direkt darauf, mit dem Dings auf was Vernünftiges zu schießen.
    Was willst du? fragt neben ihm seine Frau.
    Also, sagt er, steckt die Ortgies in die Hosentasche und schließt die Schieblade ab, du mußt morgen früh als erstes unser bißchen Gelumpe packen. Wir ziehen ins Armenhaus. Er sieht sie zum ersten Male an. Laß man, Olle, sagt er tröstend, es kommt alles schon wieder zurecht. Jetzt schieß ich erst mal den Bullenberger runter. Dann habe ich bei denen oben eine Nummer, soooo!
    Er geht lächelnd zur Tür. Die kleine Eva, die im Hemd an ihm

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