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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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Aber sobald er am Rand seines Gesichtsfeldes das Weibchen entdeckt , schießt er auf sie zu und scheucht sie durch das gesamte Becken. Carl fürchtet , daß er sie verletzen , wenn nicht sogar umbringen wird. Drei sind schon gestorben. Sie rettet sich mit kurzen Sprüngen aus dem Wasser , verschwindet zwischen Steinen oder in den Höhlungen der Wurzel. Das Verhalten des Männchens deutet eher auf eine Störung oder teilweisen Instinktverlust infolge der Überzüchtung hin , als daß es nach Balz aussieht. Jetzt steht er im Wasser , schaut sich um , kann sie nirgends entdecken , beginnt wild Algenfäden abzureißen , zerrt an den dunkelgrünen Büscheln , die wie ein Teppich das Holz bewachsen. Kehrt zum Nestplatz zurück. Carl ist sich nicht sicher , ob der Fisch das , was er abreißt , tatsächlich einbauen will oder ob das Rupfen eine Übersprungshandlung ist , weil ein anderes Instinktmuster nicht zu Ende gebracht werden konnte. Der ausgelöste Bewegungsimpuls muß abgeleitet werden , damit der Kessel in seinem Inneren nicht explodiert.
    Carl greift nach dem Buch auf dem Tisch , blättert. Auf den Photos zur Paarung der Zwergfadenfische sieht man , wie das Männchen abgerissene Algen und Pflanzenteile zusammenträgt , um das Nest zu verstärken. Auf dem nächsten Bild ragt sein Schaumgebilde fast einen Zentimeter über die Oberfläche hinaus. Davon ist der Makropode weit entfernt. Vielleicht verhält sich seine Art aber auch insgesamt nachlässiger , weil sie sich aggressiver um die Bewachung der Eier kümmert oder in Gewässern mit anderen Bedingungen lebt. Sie sind eng mit den Kampffischen verwandt , deren Männchen sich gegenseitig töten , wenn man sie zu zweit ins selbe Becken setzt.
    »Der Bau des Schaumnestes erfolgt je nach Gattung und Art auf sehr unterschiedliche Weise. Zum Teil werden nur wenige Schaumperlen an der Wasseroberfläche oder unter Wasserpflanzenblättern angebracht. Andere Arten schaffen sich zunächst einen schützenden Baldachin aus Pflanzenteilen und legen das Nest darunter an. Hierzu wird Luft aufgenommen , im Maul durch ein Sekret aus becherförmigen Drüsenzellen stabilisiert und anschließend in Form von Schaumperlen wieder ausgespuckt.«
    Vieles ist noch nicht im Detail beschrieben worden. Unzählige Fische , über die in den Büchern kaum etwas zu finden ist. Man bräuchte hundert Leben , um auch nur die , die einen besonders interessieren , so zu beobachten , daß man wirklich verstünde , was sie tun.
    »Me , I’m just a lawn mower – you can tell me by the way I walk.«
    Der Makropode hat seinen Zorn abgelegt. Ruhig entschlossen schwimmt er unter dem Rohbau des Nests hin und her , schnappt Luft , schleimt sie ein , spuckt Bläschen für Bläschen. Zwischendurch zerrt er an den Algen auf der Wurzel , sie lösen sich nicht , kehrt zurück , begutachtet , was er fertiggestellt hat. Dreht eine Runde durchs Becken , als suchte er sein Weibchen. Vielleicht täuscht es auch , und er sichert lediglich die Reviergrenzen gegen Konkurrenten.
    Carl beugt sich hinunter , um besser zu sehen , wie groß das Nest inzwischen ist. Rückt näher heran , stößt mit der Nase gegen das Glas. Der Fisch ist so beschäftigt , daß er nicht zurückzuckt wie sonst bei Erschütterungen. Die Sauerstoffbläschen an Stengeln und Blättern der Schwimmpflanzenbüschel lassen sich mit bloßem Auge kaum von denen unterscheiden , die er ausspuckt.
    Carl trifft seinen eigenen Blick in der Scheibe , schaut auf seine häßliche Stirn , auf fettige Haare , die ihm ins Gesicht fallen. Er geht zum Schreibtisch und löscht die Lampe , damit das Glas weniger spiegelt. Es ist jetzt fast ganz dunkel im Zimmer , nur die beiden Röhren des Aquariums werfen schwaches Licht auf die Dinge ringsum: Teekanne und Becher auf dem flachen Tisch , daneben das aufgeschlagene Buch »Labyrinthfische« .
    Das Weibchen wagt sich vorsichtig aus den Gängen der Wurzel hervor , schwimmt unauffällig an die Oberfläche , atmet Luft , wartet , schaut zum Nest herüber. Wendet sich ab , entfernt sich scheinbar desinteressiert , während der Makropode Bläschen um Bläschen spuckt und nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten verteilt. Das Weibchen besinnt sich , verharrt nahe der Rückwand , steigt langsam mit wedelnden Brustflossen auf , bis es unmittelbar unter einem Schwimmpflanzenbüschel steht. Das Männchen entdeckt sie , aber diesmal stößt es nicht wütend auf sie zu , sondern spreizt die Flossen , stellt sich senkrecht auf. Ein kurzes ,

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