Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
Vom Netzwerk:
Dazwischen Blumen. Ihr Geräusch ist weicher , wie verwischt.
    Der Versuch , etwas zu denken , das der Situation angemessen wäre. Jemand , dem Gott einen solchen Tod schenkt , kann nicht schlecht gewesen sein. Ein heiligmäßiger Mann. Wenn die Bemühungen der Maxius Erfolg haben , kann er sogar noch ein richtiger Heiliger werden , mit der Ehre des Altars. Der erste , den Kahlenbeck hervorgebracht hätte. Schmal , drahtig , mit Augen , die nichts preisgeben. Wie er ihn zusammenschreit , weil er sich geweigert hat , hungrig ins Bett zu gehen. Streng , aber gerecht. Einer , der Macht hat. Und wissen will , ob Bart und er sich gegenseitig an den Geschlechtsteilen berühren. Und auf dem Gipfel des Montblanc steht , drei Stunden vor seinem Tod. Vollendet. Im freien Fall. Lächelnd.
    Erneut fliegen Dohlen auf.
    All diese Menschen. Gesenkte Köpfe. Taschentücher. Schweigen und Flüstern. Holzkamps Bayernjoppe , unmittelbar vor ihm , bewegt sich ruckartig – er schluchzt. Für ihn bedeutet es , daß niemand mehr seine schützende Hand über ihn hält.
    Carl sieht Guntram und dessen Eltern , nickt ihm zu. Von rechts eine weitere Reihe Trauernder. Joschrupp ist auch da. Er trägt einen schwarzen Anzug , der seinem Vater oder Großvater gehört , weißes Hemd , schwarze Krawatte. Es fehlt nur ein Zylinder , und er könnte bei Dick und Doof als Müllkutscher auftreten. Weiter hinten die Brüder Kriens , Gräßmann , Asse. Pille Löser heult hemmungslos. Nicht einmal Asse wirkt erleichtert , obwohl er immer über Roghmann gelästert hat.
    Er sieht jetzt den Sarg , dunkel gemasertes Holz. Ein Bronzekruzifix ist aufmontiert. Still nach innen gewandt der Blick des Heilands. Holzkamp tritt weg , wischt sich Tränen von den Wangen. Kuffel nimmt die Schüppe , wirft Erde. Steht da mit gefalteten Händen , bewegt tonlos die Lippen , verneigt , bekreuzigt sich , tritt weg.
    Carl schaut all die Erde an , die schon in der Grube liegt , den Rosenstrauß der Maxius , einzelne Nelken in verschiedenen Farben.
    Im Zentrum des Bildes von Kahlenbeck vor Carls innerem Auge ist ein Loch. Keiner der anderen Priester – Krantz , Spiritual Lenders , Präfekt Wiepers , Präfekt Lohfing , Dr. Pottschaff , der alte Widerling – , keiner von ihnen kann den Platz einnehmen.
    »Vater unser im Himmel.«
    Er würde den Präses Kurt Roghmann gerne direkt aus der Mitte des Herzens ansprechen , etwas sagen , was Bitte , Dank und Frage zugleich ist. Wenn er als Lebender imstande war , zu lesen , was einen im Innersten bewegt hat , wieviel mehr wird er jetzt jenseits des Fleisches einen Gedanken hören können , der an ihn persönlich gerichtet ist.
    Carl weiß nicht , ob er › du ‹ oder › Sie ‹ denken soll.
    Es ist lachhaft.
    Er muß sich beeilen und findet die Anrede nicht. In seinem Kopf verhaken sich verschiedene Stimmen. Schweigen. Hinter ihm räuspert sich Sprangers Vater.

Achtundzwanzig
    Lise mit dem Sonnenschirm. Wie schön sie ist in ihrem langen weißen Kleid unter dem verrutschten Hütchen. Scheu , einem sanften Gedanken in der Ferne nachhängend …
    Er fragt sich , wie er hat finden können , daß Ulla ihr ähnlich sieht. – Der Ulla von vor zwei Jahren vielleicht , deren Haar offen bis zu den Hüften gefallen ist. Manchmal hatte sie es wie Lise auf dem Hinterkopf zu einer Schnecke hochgesteckt. Die Ulla von damals wird blasser , je öfter er sie sich vorstellt. Schrecken und Glück , wenn er sie von weitem beim Nachholen gesehen hat , in ihrer gestärkten Kittelschürze , eine Schöpfkelle voll Rotkohl oder Kartoffelpüree in der Hand.
    Sie will ihn treffen , möglichst bald. So wie sie schreibt , klingt es , als wäre im Grunde klar , daß sie wieder zusammen sind. Er kämpft gegen den Gedanken , ihren Brief mit Terminvorschlägen einfach nicht bekommen zu haben. Daß auf die Post kein Verlaß ist , manches in der Verwaltung verschwindet , wissen sie beide.
    Wie konnte es passieren , daß die Liebe sich aufgelöst hat?
    Mittlerweile findet er schon die Tatsache lästig , daß sie einmal pro Woche einen Anruf oder Brief von ihm erwartet.
    Es ist nichts übrig.
    Er muß aufpassen , daß seine Gedanken an sie nicht hart werden und auch das noch verderben , was schön war. Es war doch oft schön mit ihr. Die Erinnerung an das Schöne schmerzt mehr , als wenn er daran denkt , wie sie ihn hat warten lassen , ihm Halbwahrheiten erzählt , etwas mit diesem Christian angefangen hat.
    Es ihr am Telephon zu sagen , bringt er nicht über sich. Wie

Weitere Kostenlose Bücher