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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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einen hellen Kopf, verstehn Sie«, sagte er jetzt auffallend geschäftig und fuhr, auf meinen Geschlechtsteil deutend, ebenso fort: »Da unten fehlt nichts ... Das sind nur die Nerven ... So-so, soso! Holen Sie sich das in der Apotheke ... Von den Tabletten nehmen Sie täglich vorm Schlafengehen eine und schnupfen tun S' viel, verstehn Sie! ... Das - das macht einen klaren Kopf!« Emsig war er jetzt auf einmal, ging sogar bis zur Tür und geleitete mich mit einer geradezu sichtbaren Ängstlichkeit hinaus.
    Ich holte die Sachen von der Apotheke. Brom und Menthol war's. Etwas beruhigter kam ich in die Kellerräume zurück.
    Das Brom nahm ich. Menthol schnupfte ich, daß mir unausgesetzt die Nase tropfte. Aber mein Mißtrauen wich nicht. Schon öfters waren meine Logisleute nachts aufgewacht und weckten mich verärgert. Ich lachte und schrie laut im Schlaf. Vom Brom bekam ich Herzklopfen. Ich warf es weg. Ich ging zu einem anderen Arzt.
    »Nichts weiter ... Etwas nervös ... Sie dürfen bloß nicht soviel rauchen und müssen regelmäßig leben und gut essen«, sagte dieser. Er war in einem hiesigen Lazarett tätig und übte seine Praxis nur so nebenbei aus.
    »Ich kann nicht mehr weitermachen, Herr Doktor! Es geht nicht mehr!« sagte ich.
    »Ah, woher denn! ... Was würden denn da unsere Soldaten im Feld draußen sagen? ... Schonen Sie sich!« wies mich der zurecht. Wieder schuftete ich weiter in den unterirdischen Höhlen. Meine Füße schwollen an, jeden Augenblick mußte ich Wasser lassen. Mit allem Grimm arbeitete ich. Gefangen war man hier wie im Krieg! Aufhören ging nicht, heimgehen erst recht nicht.
    Nun, so haspelte man sich eben durch die Tage. Einmal wirst du schon krepieren, dann ist's aus, dachte ich lethargisch. Zum Aufhängen ist man stets zu feig und so kann man auch nicht verrecken ...

III
DURCHEINANDER

    Es gab für mich immer nur zwei Wege, aus einer häßlichen Sache herauszukommen. Entweder ich wurde eines Tages rabiat und schlug ohne Grund einfach alles kurz und klein, oder ich versuchte es mit der Scheinheiligkeit und Bauernschläue. Ich wollte nun einmal weg von der Keksfabrik, aber ich hatte zugleich Angst vor der nächsten und übernächsten Zukunft. Vorläufig schrieb ich einen Brief an den Bäckermeister, schickte meine Logisfrau hin und blieb daheim, weil ich was von Stirnhöhleneiterung erzählt hatte in dem Schreiben. Wenn man aber nach Anspannung aller seiner Kräfte nur einmal aufhört, ist's schon vorüber mit der Energie. Verflucht, ich mußte doch wieder arbeiten. So konnte es doch nicht weitergehen. Ich überlegte hin und her. Die Sache mit meinem Vermögen kam mir wieder in den Sinn, Hobreckers »Praxis« fiel mir ein. Tatsächlich schrieb ich etliche Bettelbriefe an Barone und Kommerzienräte. Aber es kam nur in einem einzigen Falle eine Antwort und ein Fünfmarkschein lag bei. Sicher hatte ich nicht eindringlich genug geschrieben. Alles muß gelernt sein, dachte ich.
    In der Zeitung las ich: »Geld leiht und beschafft raschest gegen genügende Sicherheit. J. R. 53 248.«
    Ich setzte mich hin. »Sehr geschätzte Firma!« wandte ich mich an die Chiffre. »Bezugnehmend auf Ihr Inserat in den Münchner Neuesten Nachrichten, wende ich mich an Sie um ein größeres Darlehen. Ich könnte Sicherheit leisten, da ich ein Vermögen von 2000 Mark bekomme und sehe Ihrer Rückantwort baldigst entgegen. Hochachtungsvollst Oskar Graf, Schriftsteller.«
    Zugleich durchflog ich die Heiratsinserate. »Besseres Mädchen mit Wohnung und etwas Vermögen, sehr ideal gesinnt, stattliche Erscheinung, gebildet, sucht mit nur besserem Herrn in guter Stellung in Verbindung zu treten zwecks Heirat.«
    Ich prüfte noch einige Inserate und schrieb dann an eine junge Kriegerswitwe mit einem Kind, an die idealgesinnte Dame und an eine unvermögende, adelige Krankenschwester, die zu heiraten wünschten. Ich besann mich nicht lange. »Sehr geliebtes, gnädiges Fräulein!« begann ich. »Ich bin kriegsinvalider Schriftsteller und habe Aussichten, bald verlegt zu werden. Meine Einnahmen sind zur Zeit mäßig, jedoch interessieren sich bereits bedeutende Verlage für meine Werke.
    »Später«, betonte ich überheblich, »dürfte sich mein Beruf noch sehr rentieren, nur momentan müßte ich eine vermögende, verständnisvolle Frau haben, mit der ein Zusammenleben möglich wäre. Ich zähle vierundzwanzig Lenze und habe keine körperlichen Mängel. Zu weiteren persönlichen Aufklärungen bin ich gerne bereit und sehe

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