Wir sind nicht schwul (German Edition)
dringt mir durch Mark und Knochen und ich wäre nur allzu gerne stehen geblieben, um zu glotzen.
„Oboyashi?“ Die Frau dreht sich um, stopft sich das letzte Stück Käsekuchen in den Mund und strahlt mich dann mit einem zuckersüßen Lächeln an. Ganz anders, als ich sie kennen gelernt habe , kommt es mir in den Sinn.
„Finn! Das ging aber schnell. Ich habe viel später mir Ihnen gerechnet. Wie Sie sehen können, ist Gadeshi noch am Drehen. Das kann auch noch eine Weile dauern. Wie war die Reise?“
Perplex sehe ich sie an und schüttle schnell und kurz meinen Kopf, um unsinnige Gedanken abzuschütteln. „Gut, danke der Nachfrage. Es gab keine Probleme, sofern man das von Tokyos Straßen behaupten kann. Das U-Bahnfahren hier ist schon ein Erlebnis für sich, das Autofahren ebenfalls und dann wären da noch die Taxifahrer. Er musste erst seinen Stadtplan suchen und nachsehen, wo das denn ist, wohin ich wollte, nachdem ich ihm klar machen hab müssen, dass ich selbst keine Ahnung habe, wie man hierher kommt.“
Oboyashi lächelt in sich hinein, hält sich aber die Hand vor, damit die Kuchenbröckchen zwischen ihren Zähnen nicht zu sehen sind, oder herauspurzeln können. „Willkommen in Tokyo!“ Wenigstens eine, die was zu lachen hat.
Es war schon irgendwie witzig, mich in die U-Bahn zu quetschen, nachdem ich es endlich geschafft habe, das richtige Ticket zu ergattern. Die Schlangen vor den Automaten sind endlos, außerdem wird man nebenbei von pseudogestressten Japanern umgerannt.
Ich kam mir vor wie in einem Ameisenhaufen. In der U-Bahn selbst ist man dann nicht mehr in einem Ameisenhaufen, sondern Teil eines ganzen Ameisenkuchens. So genau wollte ich einen fremden Japaner nie aus der unmittelbaren Nähe betrachten. In der U-Bahn wurde ich dazu aber geradewegs genötigt.
Die Taxifahrt hingegen war nur noch nervig. Wenn man es von Österreich gewohnt ist, dass die Taxifahrer wissen, wohin sie einen bringen sollen und man dann so etwas erleben muss, ist das schon nervenzerreißend. Nichtsdestotrotz bin ich hier heil angekommen.
Oh Wunder, oh Wunder.
„Sie drehen gerade ein Musikvideo, nicht wahr?“
Oboyashi nickt.
„Wieso gerade hier? Ist das nicht etwas … eigenartig?“
Die Frau sieht mich gleich noch schmunzelnder an. „Finn hat noch nie ein Musikvideo gedreht, nicht wahr?“
Errötend sehe ich kurz zu Boden. Sicher stimmt es, was sie sagt. Und sicher beschämt es mich irgendwie. Meine dumme Unerfahrenheit.
„Je dreckiger und abgelegener es wirkt, desto mehr erinnert es an den Untergrund, der scheinbar Freiheit, Abenteuer und Eigenständigkeit verspricht. Etwas Geheimnisvolles und Gefährliches zugleich. Es könnte keinen besseren Ort für dieses Musikvideo geben, als diesen hier. Alles andere, was wir sonst noch für die Kulisse brauchen, können wir anbringen.“ So sieht’s aus. Hier liegen wirklich eine Menge der unmöglichsten Gegenstände. Hauptsächlich Spraydosen, Stoffe, Stühle, unzählige Kabeln und Unmengen an Zeugs, das ich nicht beim Namen nennen kann.
„Verstehe. Wissen sie, Frau Oboyashi, mich macht das etwas nervös. Sie meinten, ich könnte Gadeshi unter die Arme greifen, nur wie haben Sie sich das vorgestellt?“ Stellt euch vor, ihr wärt an meiner Stelle. Hättet ihr da keine Bedenken? Gadeshi hat wesentlich mehr Erfahrung, in, nun sagen wir, in allem , und außerdem sind hier an die 30 Leute, die nicht einmal alle eine Beschäftigung zu haben scheinen. Warum sollten sie da gerade mich noch zusätzlich brauchen? Immerhin verheißt ihr Lächeln Gutes. Ich bin mal gespannt, was ich zu hören bekomme.
„Es wird Finn sicherlich gefallen. Nur noch etwas Geduld, ja? Reiiji-kun wird dich über alles aufklären, sobald er da ist.“
Bitte, wer? Sie tut ja gerade so, als wüsste ich, von wem sie da spricht. „Ist er ein Manager oder so etwas in der Art?“, frage ich sie vorsichtig und etwas kleinlaut.
Irgendwie habe ich es geschafft, sie schon wieder zum Lachen zu bringen. „Jin Reiiji-san?“ Nachdem ich nur schweigend verlegen die Schultern hoch ziehe, fährt sie fort: „Yuoi?“
Yuoi!
Natürlich kenne ich Yuoi.
Oder zumindest weiß ich, dass er der Sänger von Gadeshi ist. Erstaunt lasse ich den Blick in seine Richtung schweifen. Der gibt sich’s gerade voll mit seinem Mikrofon. Sie nehmen das alle sehr ernst. Ich hätte bei dem, was die da aufführen schon x-Mal lachen müssen.
„So? Ich wusste gar nicht, dass Yuoi nicht sein richtiger Name ist“, gestehe
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