Wo der Elch begraben liegt
Familie hatten gestimmt; sie waren 1997 mit der großen Flüchtlingswelle von Kosovo-Albanern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Schweden gekommen, als sich über fünftausend Menschen aus dem Kriegsgebiet abgesetzt hatten. Sie waren Kleinbauern in einem Dorf außerhalb von Kosenica gewesen, westlich der kleinen Stadt Dakovica im südwestlichen Kosovo. Åke hatte auch die Sozialbehörden über die Situation und den Bedarf der Familie informiert und bei der Kommunalverwaltung angefragt, ob es für Aliana einen Platz an der Schule gab. Das sollte eigentlich kein Problem sein, denn genügend freie Plätze gab es schließlich…
Aferdita war bei ein paar Ärzten gewesen und hatte Antibiotika gegen die Lungenentzündung und Medikamente gegen Asthma und erhöhten Blutdruck bekommen. Man kam zu dem Schluss, dass sie mit einem Psychologen sprechen sollte, doch zunächst brauchte man einen Dolmetscher.
Als die Frage aufkam, eine Änderung im Melderegister vorzunehmen und eine dauerhafte Adressänderung zu bewirken, war Aferdita unruhig geworden und hatte geäußert, dass ihr Mann dies womöglich wie eine Scheidung auffassen könnte. Das wollte sie keinesfalls riskieren. Dagegen schien sie jedoch keinerlei Probleme zu haben, die Namen aller Familienmitglieder, mit Ausnahme des Schwagers, für die Anmeldung anzugeben. Die Unterschrift selbst hingegen war ein Problem. Aferdita konnte nicht schreiben. Zana hatte die Hand ihrer Mutter geführt, und schließlich war ihnen ein krakeliger Namenszug gelungen.
Das Komplizierteste war gewesen, Mona Fors davon zu überzeugen, die Familie in dem kleinen, unbenutzten Sommerhaus wohnen zu lassen. Sie konnte absolut nicht verstehen, wozu das gut sein sollte. Frida musste alle erdenklichen Überredungskünste anwenden und verwies darauf, wie gut es doch sei, wenn das Haus jetzt unter kontinuierlicher Aufsicht stand, ganz abgesehen von der Tatsache, dass es generell eine gute Sache sei.
» Aber was ist, wenn dieser Mann von ihr auftaucht und alles stiehlt, was nicht niet- und nagelfest ist?«, fragte Mona ängstlich.
» Aber Mama, da gibt’s doch nichts zu klauen. Nicht mal der Fernseher ist was wert. Und warum sollten sie ausgerechnet dort etwas stehlen?«
» Man kann nie wissen. Die Menschen sind sehr verschieden.«
» Als ich klein war, hast du immer gesagt, dass alle Menschen gleich viel wert seien. Gilt das nicht länger?«
» Jetzt redest du wirklich Unsinn. Du weißt genau, wofür ich stehe, aber Diebe und umherwanderndes Volk sind ja wohl etwas anderes«, erwiderte Mona beleidigt.
» Neulich wolltest du doch, dass ich Verantwortung für das Haus übernehme. Genau das mache ich jetzt«, sagte Frida.
» Es ist dein Erbe, was sich da auflöst«, entgegnete Mona. » Ich kann dich nicht daran hindern, aber ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Frida hatte wie gewöhnlich weitergearbeitet. Es war viel leichter, neue Perspektiven aufzudecken und ein Feedback zu bekommen, wenn der Kontakt mit Åke und der Redaktion enger war. Jetzt war Donnerstag, und die Arbeitsgruppen sollten sich wieder im Missionshaus einfinden, um ihre Ergebnisse auszuwerten. Fridas Aufgabe dabei war, von dem Treffen wie von jedem anderen Vereinsabend zu berichten.
Skogbys Frau Helen hatte ihre langen, dunklen Haare zu einem dicken Zopf geflochten. Diesmal hatte sie sich um die Verköstigung gekümmert: Es gab Kaffee in Thermoskannen und Marmorkuchen. Nur fünfzehn Leute hatten sich am Tisch inmitten des ausgekühlten Saals versammelt. Dani war dabei, mit Flugblättern unter dem Arm. Er grinste breit und fragte Frida, ob sie seine E-Mail bekommen habe. Frida dachte nach. Es schien lange her zu sein, doch sie erinnerte sich an die Paradies-Nachricht.
» Ja, was für ein schöner Film. Was du alles kannst! Wie hast du das gemacht? Das muss dich doch sehr viel Zeit gekostet haben.«
» Bloß ein paar Nächte. Ich kann alles, wenn ich nur richtig will. Und gestern hab ich dreißigtausend gewonnen.«
» Gratuliere!«
» Für deinen nächsten Besuch habe ich eine Flasche Champagner gekauft, aber dann werde ich bestimmt nicht einschlafen.«
Frida fühlte sich sowohl glücklich als auch leicht unter Druck gesetzt angesichts der hochgeschraubten Erwartungen. War seine amouröse Einladung etwa ernst gemeint? Er glaubte doch wohl nicht, dass er und sie die Voraussetzungen hatten, um ein Paar zu werden? Oder hatten sie das? Vielleicht verhinderten ja nur ihre Vorurteile solch eine Entwicklung. Dani gehörte nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher